Kritik zu Men

© Koch Films/Studiocanal

2022
Original-Titel: 
Men
Filmstart in Deutschland: 
21.07.2022
L: 
100 Min
FSK: 
16

In Alex Garlands feministischem Folk-Horror-Film sind sich alle Männer gleich – nicht zuletzt weil sie sämtlich von Rory Kinnear gespielt werden. Ihnen gegenüber versucht Jessie Buckley als frisch verwitwete Frau, sich zu behaupten

Bewertung: 3
Leserbewertung
3
3 (Stimmen: 1)

Harper kann nicht anders. Gerade erst an dem historischen englischen Landhaus angekommen, das sie für zwei Wochen gemietet hat, erliegt sie dem Zauber des in der Einfahrt stehenden Apfelbaums. Die in einem kräftigen Rot erstrahlenden Äpfel sind einfach zu verlockend. Sie muss einen von ihnen pflücken und sofort hineinbeißen.

Eine Frau, die einen Apfel direkt vom Baum isst, das ist natürlich ein äußerst aufgeladenes Bild. Es weckt biblische Assoziationen, mehrere Tausend Jahre jüdisch-christlicher Kulturgeschichte haben nun einmal ihre Spuren in unseren Haltungen hinterlassen. Und genau mit diesem Erbe, das wir vielleicht infrage stellen, aber dennoch in uns tragen, spielt Autor und Regisseur Alex Garland.

Wie es sich von einem Film, der den so schlichten wie eindeutigen Titel »Men« trägt, erwarten lässt, ist es ein Mann, der unsere Gedanken in treffende, also vor allem für Harper verletzende Worte fasst. Geoffrey, der von Rory Kinnear gespielte Besitzer des Hauses, spricht die junge Frau umgehend auf den Apfel an. Er nennt ihn »die verbotene Frucht«, um dann gleich zu beteuern, dass das nur ein Scherz sei. Aber seine Bemerkung ist mehr als nur ein ziemlich alter Scherz. Sie ist ein erster Übergriff, der auch nicht durch die nachgeschobene Erklärung zurückgenommen werden kann.

Geoffreys Hinweis auf Eva und den Sündenfall etabliert die Welt, in die Harper auf dem Land gerät. Hier kann jedermann, also jeder Mann, eine Frau so behandeln, wie es ihm gerade gefällt. Dass Harper, die kurz zuvor ihren Mann James durch einen Unfall verloren hat, ausgerechnet in die tiefste Provinz gegangen ist, um wieder Frieden und Kraft zu finden, hat dabei schon etwas Ironisches.

Jessie Buckleys Harper ist zweifellos eine Frau, die weiß, was sie will, und die auch weiß, wie sie es bekommen kann. Davon zeugt zumindest ihr Erfolg im Geschäftsleben. Doch sobald es nicht mehr um Geld geht, stößt ihr Drang nach Selbstbestimmung an sehr enge Grenzen. Deswegen wollte sie sich von ihrem übergriffigen und auch gewalttätigen Ehemann scheiden lassen. Doch nun ist sie Witwe, und ausgerechnet James' Tod hat seine Macht über sie noch vergrößert. Von Schuldgefühlen geplagt kommt sie in ein Dorf, in dem alle Männer von Rory Kinnear verkörpert werden. Was fast noch einer der subtileren Effekte ist, mit denen Alex Garland in seinem vom Folk Horror à la »The Wicker Man« geprägten Schreckensszenario arbeitet. Auf seinem Höhepunkt verwandelt sich »Men« in einen Körperhorror-Trip, in dem sich das Patriarchat immer wieder selbst gebiert.

Mit dieser Vision, die Harpers Alptraum einer Welt, in der alle Männer sie kontrollieren wollen, in surrealen Schreckensbildern Realität werden lässt, schreibt sich Garland in die Geschichte des Horrorkinos ein. Die Aufnahmen, in denen Rory Kinnear immer neue Inkarnationen männlicher Gewalt zur Welt bringt, brennen sich ins Gedächtnis ein. So beschwört Garland Gefühle des Ekels und Entsetzens angesichts der patriarchalen Verhältnisse herauf, die einen lange verfolgen werden. 

Aber die Macht seiner Bilder ist nur die eine Seite des Films. Die andere ist ein Hang zur Karikatur. Dass hier nahezu alle Männer ein Mann, also Rory Kinnear, sind, zeugt noch von Konsequenz. Garland will keinen Zweifel an seiner feministischen Revision des Folk-Horror-Genres aufkommen lassen. Allerdings sind nicht nur die Männer eindimensionale Abziehbilder. Auch Jessie Buckleys Harper bleibt einem seltsam fern. Jenseits ihrer Erinnerungen an den auf perfide Weise zweideutigen Tod ihres Mannes James und ihrer Abscheu gegen die Männer im Dorf zeichnet sie kaum etwas aus. So reduziert Garland sie letztlich auch auf ein Klischee: das des erwachsen gewordenen »Final Girl«, das sich gegen die sie erdrückenden Männer wehrt, sich aber dennoch über sie definiert.

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