Kritik zu Layla Fourie
Lügendetektoren, Fahrerflucht und die Allgegenwart des Rassismus: Pia Marais macht aus diesen Zutaten einen atmosphärischen Thriller, der zugleich Bestandsaufnahme des heutigen Südafrikas sein will
Das schlechte Gewissen hat eine seltsame Eigenschaft. Je mehr man es zu beruhigen versucht, desto quälender wird das Schuldgefühl: Von solch einem Alpdruck erzählt Layla Fourie. Hauptfigur der konzentrierten Charakterstudie ist Layla (Rayna Campbell), eine schwarze Südafrikanerin. Die alleinerziehende Mutter aus Johannesburg muss einen neunjährigen Sohn durchbringen. Um keine Nachtschichten mehr als Kellnerin schieben zu müssen, absolviert sie Fortbildungskurse und ergreift den ungewöhnlichen Job bei einer Spezialfirma, die sich auf Lügendetektoren spezialisiert hat. Zu deren Kunden zählt ein Spielcasino, das neue Mitarbeiter mit dieser bewährten Technik durchleuchten will.
Das Finden der Wahrheit ist im ehemaligen Apartheidstaat ein sensibles Thema. Zur Aussöhnung mit der weißen Bevölkerungsminderheit wurde in den 90er Jahren die sogenannte »Truth and Reconciliation Commission « eingesetzt. Die Arbeit am Lügendetektor ist das moralische Erbe dieser Wahrheitskommission: Erweist sich Layla, die nun einen jungen Weißen durchleuchtet, als würdige Repräsentantin bedingungsloser Aufrichtigkeit?
Das an den kategorischen Imperativ erinnernde Dilemma packt der atmosphärische Film in eine einfache Geschichte. Auf der Autofahrt zu ihrem ersten Einsatz wird Layla von ihrem Jungen abgelenkt, für den sie keinen Babysitter finden konnte. In diesem Sekundenbruchteil überfährt sie einen Weißen am Straßenrand. Um sich Ärger zu ersparen, entsorgt sie die Leiche auf der Müllkippe. Der Tote erweist sich ausgerechnet als Vater jenes jungen Eugene (August Diehl), den sie einem polygraphischen Test unterziehen wird. . .
Das klingt zugegebenermaßen etwas konstruiert, funktioniert aber als filmisch erzählte Geschichte, welche die moralische Zwickmühle systematisch zuspitzt. Eugene bringt Layla ins Haus seiner Stiefmutter Constanze (Terry Norton). Je gastfreundlicher die sich gegenüber der jungen Mutter mit ihrem Sohn verhält, desto weniger möchte man in Laylas Haut stecken. Im Gegensatz zu Matthias Glasners themengleichem Fahrerfluchtfilm Gnade wird die stumme Qual einer Gewissensnot hier körperlich spürbar. Schmerzlich absurd wird Laylas Doppelspiel, wenn sie in Constanzes Auftrag die Geliebte ihres Mannes aushorchen soll, ob der Verschollene sich vielleicht bei ihr befindet.
Stimmig beobachtete Details dieser Art machen den Film sehenswert, mit dem die Wahlberlinerin Pia Marais in ihre südafrikanische Heimat zurückkehrt. Überwachungskameras, vergitterte Fenster und Alarmanlagen bestimmen die Szenerie, die ein äußeres Abbild von Laylas Seelenzustand ist. In der Titelrolle überzeugt Rayna Campbell durch ihr nuanciertes Zusammenspiel mit dem kleinen Rapule Hendricks in der Rolle ihres Sohnes. Der zurückhaltende August Diehl ist kein Held in der aus weiblicher Sicht erzählten Geschichte. Kleinere Durchhänger und das gelegentlich etwas plakativ ausgewalzte Thema verzeiht man der anregenden Mischung aus Thriller, Psychodrama und der unterkühlten Studie einer Gesellschaft, die von Angst und Misstrauen geprägt ist.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns