Kritik zu Landretter
Die Kölner Filmemacherin Gesa Hollerbach verfl icht in drei Episoden Geschichten über lokales Engagement im ländlichen Umfeld
Burgartig thronen die beiden Türme des Europäischen Parlaments über dem Brüsseler Europaviertel. Als drinnen im Plenarsaal die Grünen-Abgeordnete Maria Heubuch eine engagierte Rede zu den Problemen kleiner Landwirtschaftsbetriebe hält, verteilen sich gerade mal ein Dutzend Menschen im großen Raum. Heubuch ist selbst Bäuerin im Allgäuer Leutkirch und eher durch Zufall in die Politik gekommen. Ihr Thema ist der Kampf gegen das Landgrabbing. Denn nach Afrika und Osteuropa ist die Spekulation mit Ackerland mittlerweile auch in Deutschland angekommen: Niedrigzinsen und fehlende Anlagemöglichkeiten in anderen Sektoren gehören zu den Ursachen. Heubuch hat gemeinsam mit einer Kollegin einen sogenannten Initiativbericht gegen das Landgrabbing in Europa verfasst, deren Absegnung im Plenum Voraussetzung für eine Befassung der EU-Kommission mit dem Anliegen ist.
In der sächsischen Kleinstadt Seifhennersdorf hat seit der Wende fast die Hälfte der damals 7 000 Einwohner die Stadt verlassen; die Gleise am 2015 geschlossenen Bahnhof sind mit Gras überwachsen. Seit 2012 kämpfen Bürgerinnen und Bürger der Stadt um den Erhalt der städtischen Mittelschule. Das hat die Stadt polarisiert und der für die Schule engagierten Bürgermeisterin Karin Berndt neben Unterstützung und Solidarität auch Feindschaft eingebracht. Bald steht ihre Wiederwahl an. Die Schulauseinandersetzung ging bis vors Bundesverfassungsgericht. Die Schule blieb erhalten.
Mit einer ähnlich unberechenbaren Instanz haben es die Aktivisten des »World Heritage Comittee for the Community of Großmugl« zu tun, wie der Wiener Astronom Günther Wuchterl seine Truppe vorstellt, die er in einem Großmugler Dorfgasthof versammelt hat. Dessen Wirt ist selbst Teil des Komitees, das sich für die Aufnahme des niederösterreichischen Ortes in die Welterbeliste der UNESCO als erste »Sternenlicht-Oase« engagiert. Grund für dieses Ansinnen ist die dank niedriger Lichtverschmutzung grandiose nächtliche Dunkelheit des 35 Kilometer von Wien entfernten Ortes. Um die Argumentation zu untermauern, nimmt Wuchterl Kontakt zu einem Archäologen auf, der das lokale Hügelgrab aus der Hallstatt-Zeit in den Antrag einarbeiten soll.
Die Geschichte um Großmugl ist der Comic-Relief-Part unter den drei miteinander verflochtenen Unternehmungen, die durch ihr ländliches Setting und das lokale Engagement verbunden sind. Die Filmemacherin Gesa Hollerbach (selbst ein Großstadtkind) inszeniert aber auch die anderen Episoden mit leichter Hand und Blick für aussagekräftige Details, wenn sie Kamerafrau Jennifer Günther bei einer Szene im Amtszimmer der Bürgermeisterin den dicken Band mit der »Sächsischen Gemeindeordnung« markant ins Bild setzt. Allerdings hätte es dem Film gutgetan, gerade bei dieser (Seifhennersdorfer) Episode neben den menschendeln Aspekten auch die komplizierten institutionellen Hintergründe etwas präziser zu beleuchten.
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