Kritik zu Knowing
Das digitale Kino scheint fasziniert von der Apokalypse. Jetzt spielt Horror- und Science-Fiction-Visionär Alex Proyas mit den diffusen Ängsten vor Terroranschlägen und Naturkatastrophen
Wir schreiben das Jahr 1959. Die Welt scheint noch in Ordnung zu sein, besonders in der kleinen Schule von Lexington, Massachusetts. Eine nette Idee hat man dort. Die Schüler sollen die Zukunft malen. Die Ergebnisse werden in einer Zeitkapsel verstaut, die auf dem Vorplatz der Schule in den Boden eingelassen wird – wie der Grundstein für eine bessere Zukunft oder wie eine Büchse der Pandora, die Elend über die Welt bringen kann. Ein düsteres Mädchen ist nämlich unter den fröhlichen Schülern, eine kindliche Kassandra, die die verlogene Unschuld der fünfziger Jahre hinter sich gelassen hat. Sie hat keine verspielt-utopische Zeichnung fabriziert, sondern eine unendliche Reihe von Zahlen auf ihr Papier gekritzelt
Ein halbes Jahrhundert später. Bei einer großen Schulfeier wird die Kapsel ausgegraben und geöffnet. Die fünfzig Jahre alten Zukunftsvisionen werden unter den neuen Schülern verteilt. Den mysteriösen Zahlencode des traurigen Mädchens von damals erhält Caleb, der Sohn des Astrophysikers John Koestler. Auch Caleb umgibt mehr als nur ein Hauch von Tragik: Seine Mutter ist vor kurzer Zeit bei einem Autounfall ums Leben gekommen, sein Vater hadert mit dem Schicksal. Nicolas Cage spielt den Vater: als einen Mann am Rande des Abgrunds. Seit »Lord of War«, »Wicker Man« oder »Next« spielt Cage den angeschlagenen, düster-brütenden amerikanischen Mann bis an die Grenzen der Karikatur. Bei Alex Proyas erscheint er beinahe wie eine Film-noir-Figur: ein Astrophysiker, übermannt von der Mathematik des Zufalls und Unglücks, der zudem denselben Nachnamen hat wie der Schriftsteller Arthur Koestler (Hauptwerk: »Sonnenfinsternis«).
Alex Proyas hat in seinen Horror- und Sci-Fi-Filmen (»The Crow«, »Dark City«) immer Elemente des Film noir gemischt. Jetzt arbeitet er mit einer Rückblende, die das eigentliche Geschehen des Films determiniert. Was sein wird, liegt in der Vergangenheit begründet: ein gängiges Stilmittel des Film noir. Der ominöse Zahlencode nämlich ist, wie John Koestler bald herausfindet, eine Auflistung aller großen Unglücke der letzten 50 Jahre. Und das Dokument sagt noch drei weitere Katastrophen voraus . . .
Die Verknüpfung der Fifties, einer Hochzeit des Kalten Krieges, mit unserer Gegenwart ist unheimlich. Die Schreckensvisionen von damals scheinen sich jetzt, am »Ende der Geschichte« zu verwirklichen. »Knowing« ist ein morbider, furchterregender Film. John und Caleb Koestlers Haus etwa wirkt wie ein Spukschloss, wie die Ruine eines Traums, zerstört durch den plötzlichen Tod der Frau. Auch wenn Proyas gewiss auf gesellschaftliche Verunsicherungen verweist, auf die Angst vor Terror oder Naturkatastrophen, so bleibt die desparate Grundstimmung des Films doch existenziell.
Die digitale Bildtechnik nutzen Proyas und sein Kameramann Simon Duggan perfekt für ihre düstere Vision. Dazu gelingt den Special-Effects-Leuten etwas, was selten ist im digitalen Kino. Die großen Action-Sequenzen sind nicht bloß Hokuspokus, sondern spürbar als realistischer Alptraum.
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