Kritik zu Kid-Thing

© W-Film

2012
Original-Titel: 
Kid-Thing
Filmstart in Deutschland: 
22.08.2013
V: 
L: 
83 Min
FSK: 
16

Ein zehnjähriges Mädchen mit einem Hang zur Zerstörungswut hat im Wald eine mysteriöse Begegnung

Bewertung: 3
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Die Arbeiten der Filmemacher Nathan und David Zellner als »independent« zu bezeichnen, wäre eine ziemliche Untertreibung. Fernab der üblichen Produktionswege und ohne nennenswerte Budgets realisieren die Brüder ihre Filme mit lokalen Crews und Laienschauspielern; Hauptrollen übernehmen sie meist selbst. Gedreht wird stets im texanischen Hinterland, nahe ihrer Heimatstadt Austin. Ihre zahllosen Kurzfilme (verfügbar auf Vimeo) bewegen sich formal irgendwo zwischen Trash und Experiment und im Tonfall zwischen Poesie, Satire und Nonsense.

Ihr Langfilmdebüt Goliath (2008) über einen Mann und seine verschwundene Katze lief auf dem Sundance-Festival, doch anstatt die positiven Kritiken als Ticket ins größere Geschäft zu nutzen, blieben sie in Austin. Nun liegt ihr zweiter Langfilm vor: Kid-Thing, finanziert über Kickstarter und besetzt fast ausnahmslos mit Laien, reiht sich in Sachen schräger Eigenwilligkeit nahtlos in die bisherigen Werke der Brüder ein. Im Mittelpunkt steht ein zehnjähriges Mädchen namens Annie, das mit seinem Vater auf einer heruntergekommen wirkenden Ziegenfarm im texanischen Hinterland lebt. In der lakonischen, sanft-grotesken Zeichnung eines provinziellen White-Trash-Milieus erinnert Kid-Thing ein wenig an die Werke von Harmony Korine, in seiner scheinbar beiläufig eingefangenen Alltagspoesie an die frühen Filme von David Gordon Green. Gleichwohl wird es nie so zynisch wie bei Ersterem und nie so ostentativ »künstlerisch« wie bei Letzterem.

Annie streunt ziellos durch die Gegend und vertreibt sich die Zeit mit allerlei Boshaftigkeiten: spielende Kinder drangsalieren, vorbeifahrende Autos mit Teigballen bewerfen. Bis sie im Wald aus einem tiefen Schacht die Hilferufe einer älteren Frau hört. Annie leistet Erstversorgung, indem sie Sandwiches, Getränke und Toilettenpapier in den Schacht wirft. Hilfe holt sie trotz flehentlichen Bittens nicht.

Diese Beschreibung klingt vermutlich dramatischer, als Kid-Thing tatsächlich ist. Der Film wirkt dramaturgisch ähnlich ziellos mä- andernd wie seine junge Protagonistin. Die Zellners nehmen konsequent die Perspektive des orientierungslosen, einsamen Kindes ein. Das gibt den destruktiven Handlungen eine seltsame Unschuld, aber auch eine irritiernde Freudlosigkeit – Annie scheint keinerlei Befriedigung aus ihren Bösartigkeiten zu ziehen. Das ist ein kluger Kniff, da er die Opfer der Aggressionen nicht zu Witzfiguren degradiert. Zugleich aber wirkt diese dramaturgische Antihaltung auf Dauer enervierend.

Wenn man Annie trotzdem gerne folgt, liegt das zum einen am bemerkenswerten Spiel der Laiendarstellerin Sydney Aguirre, die über eine phänomenale Präsenz verfügt. Zum anderen gelingt es den Zellners, über die wimmernde Stimme aus dem Schacht ein Mysterium aufzubauen, das in Bann zieht. Existiert die im Dunklen verborgene Frau wirklich, oder ist sie Ausdruck von Annies Einsamkeit? »Vielleicht bist du ja der Teufel!«, sagt sie einmal in die Finsternis hinab. »Vielleicht bist du der Teufel!«, kommt als Antwort zurück. Vieles in Kid-Thing erscheint willkürlich und nicht recht durchdacht, aber die kleine blonde Außenseiterin und die Stimme aus dem Schacht gehen einem noch lange nach.

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