Kritik zu Jonathan
In seinem Regiedebüt verhandelt Piotr J. Lewandowski ein Familienmelodram mit mehreren Geheimnissen und einem Coming-out
Ein schöner Schmetterling hängt in einem Spinnennetz fest; schließlich gelingt es ihm, sich durch den Schlag seiner Flügel zu befreien, und er fliegt davon. Dieses etwas kitschige Symbolbild im Vorspann von »Jonathan«, dem Debütfilm des Regisseurs Piotr J. Lewandowski, gibt bereits die Stoßrichtung vor: Keine Frage, dass der Schmetterling hier für die titelgebende Hauptfigur steht. Jonathan, gespielt von Teenieschwarm Jannis Niewöhner (u.a. »Saphirblau«), ist ein gut aussehender junger Mann, der in einer schmerzlichen Lebenssituation feststeckt. Auf dem heimischen Bauernhof muss er sich nicht nur mit der streitlustigen Tante herumplagen, er kümmert sich auch aufopfernd um seinen schwer erkrankten Vater (André Hennicke), einen mürrischen alten Mann, der das Ende seines Lebens kaum erwarten kann. Kein Wunder, dass sich Jonathan verloren fühlt.
Dann aber betritt Anka (Julia Koschitz) die emotional aufgeladene Enge des Bauernhofs – das Spinnennetz, um im anfänglichen Bild zu bleiben. Anka ist Krankenpflegerin und hilft Jonathan dabei, seinen Vater zu versorgen und bei Laune zu halten. Weniger als eine Minute nach ihrem ersten Auftritt ist außerdem klar, dass sich zwischen der lebenslustigen Frau und Jonathan eine Romanze entwickeln wird. Schließlich erscheint noch ein weiterer Neuankömmling auf dem Hof: Ron, ein alter Freund des Vaters, in dessen Präsenz der Kranke plötzlich wieder aufblüht. Er scheint zudem etwas über den mysteriösen Tod von Jonathans Mutter zu wissen, über den sich der Vater seit Jahren ausschweigt.
»Jonathan« wirkt über lange Strecken wie ein schmalziges Familienmelodram im Independent-Film-Gewand, dessen Plot, Figurenzeichnung und Dialoge ohne weiteres einer Vorabendsoap entsprungen sein könnten. Das Drehbuch scheut kein Klischee, bleibt überraschungsarm und ergeht sich in schwüler Landerotik – wie auf dem Cover eines Groschenromans tummeln sich die Liebenden spärlich bekleidet in der Landschaft. Dass die Homosexualität des Vaters als düsteres Familiengeheimnis stilisiert wird, mag zwar einer traurigen Realität des konservativen Landlebens gerecht werden, erscheint aber in dieser narrativen Form reichlich altbacken.
Zum Glück gelingt es Kameramann Jeremy Rouse, das voraussehbare Geschehen in interessante Bilder zu kleiden. Sicherlich rutscht er dabei, siehe oben, hin und wieder in den Kitsch ab, gewissermaßen passt diese Zuckrigkeit aber durchaus zum melodramatischen Plot. Davon abgesehen erzeugt seine durchdachte Bildgestaltung eine kohärente Stimmung, die den Film zusammenhält und das Setting in einen glaubhaften Mikrokosmos verwandelt. Technisch ist »Jonathan« also ein durchaus starkes Debüt, inhaltlich könnte der Film, gerade als Erstling eines jungen Filmemachers, kaum konventioneller wirken. Zweifellos verfolgt Regisseur Lewandowski die ehrbare Absicht, ein Licht auf die Problematik des Coming-outs im hohen Alter zu werfen; leider versinkt der Film auf dem Weg dahin in Plattitüden und schafft es daher nicht, die Leidenswege der Protagonisten mit Leben zu füllen.
Kommentare
Erstaunlich, dass gerade die
Erstaunlich, dass gerade die evangelische Kirche hier mehr Progressivität im Umgang mit dem Thema Homosexualität (auf dem Lande) fordert.
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