Kritik zu Inside Man

© Universal Pictures

Denzel Washington und Clive Owen im neuen Film von Spike Lee

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Gerade hatte man sich gefragt, was Spike Lee eigentlich so macht – »25th Hour«, sein letzter großer Spielfilm, liegt immerhin vier Jahre zurück –, da kommt »Inside Man« daher: ein Krimi mit Star-Besetzung. Untypisch. Aber nur auf den ersten Blick.

Der Satz ist so berühmt wie vieldeutig: »Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?« Er enthält eine mehr oder weniger provokative moralische Wertung. Man kann ihn aber auch als Beschreibung der Machtverhältnisse sehen: Ein Bankraub ändert nichts an den Verhältnissen. Spike Lees neuer Film sieht aus, als hätte der Regisseur versucht, den Brecht-Satz innerhalb der Genres von Heist Movie, Cop Story und Geiseldrama und anhand der Kinoerfahrungen der letzten beiden Jahrzehnte zu erproben. Und dabei zugleich den kommerziellsten und den politisch radikalsten Film seiner Laufbahn zu drehen. Das geht natürlich schief, aber wie fast immer bei Spike Lee geht es auf so intelligente und anregende Weise schief, dass man den Film dafür nur lieben kann.

Am Anfang erklärt uns Clive Owen, offenbar in einer sehr engen Zelle eingeschlossen, und mit dem dringlichen Hinweis, genau hinzuhören, denn er werde das nur einmal erklären, die Geschichte. Der Einstieg, zwischen Krimispannung, Identifikation und V-Effekt, ist ziemlich genial. »Warum ich den perfekten Bankraub begehe? Nun, weil ich es kann.« Das setzt die innere Mechanik des Genres in Gang und ist nebenbei eine Welterklärung. Es folgen Täuschung, Ablenkung, ein Spiel, bei dem es darum geht, immer zwei, drei Schritte des Gegners vorauszuberechnen und ihn zu falschen Schlüssen und Handlungen zu verleiten.

Dalton (Owen) und seine Komplizen stürmen eine Bank, setzen die Sicherungsanlagen außer Kraft und nehmen Angestellte und Kunden als Geisel. Die Bank wird daraufhin von der Polizei umstellt. Auf der anderen Seite steht Denzel Washington als Detective Frazier, der gerade wegen seiner Eigenmächtigkeit Ärger hatte. Vor allem geht es natürlich darum, die Geiseln zu retten, aber was drinnen passiert und was draußen davon wahrgenommen wird, das ist durch die elektronischen Medien vermittelt, und die kann man sehr einfach manipulieren. Den Trick, wie man aus einer solchen Geiselsituation herauskommt, kennen wir aus Filmen wie »Hold-Up«, aber darauf kommt es nicht wirklich an.

Das Spiel nämlich wird unter anderem durch eine dritte Partei kompliziert. Der Bankbesitzer hat im Tresorraum seine persönlichen Dokumente verborgen, und die belegen seine Nazi-Vergangenheit und die Verbrechen, mit denen er zu seinem Vermögen gekommen ist. Er beauftragt die smarte Anwältin Madaline White, eine musterhafte Jodie-Foster-Rolle auf den ersten Blick, damit, die gefährlichen Dokumente zu besorgen, und sie lässt ihre Beziehungen spielen, um an Frazier vorbei zu Verhandlungen mit den Geiselnehmern zugelassen zu werden. Aber auch sie spielt nicht nach den Regeln. So dreht sich das alles immer wieder um und um; bis zum Schluss bleibt das Spiel für Überraschungen gut. Man kann nicht sagen, dass es in diesem Film keine Gewalt gibt, dennoch ist Inside Man das Gegenteil jener Hass- und Kill-Filme, an die man sich im Blockbuster-Kino gewöhnt hat. Genauer gesagt, treibt Spike Lee sogar ein ziemlich raffiniertes Spiel mit unserer Erwartung von Gewalt.

Man kann »Inside Man« als den »kommerziellsten« Film des Regisseurs betrachten, weil er das Genre bedient, Stars einsetzt, Action und Schauwerte türmt – ganz abgesehen vom New- York-Feeling, das so schwer zu beschreiben wie elektrisierend ist. Alle Formeln werden zunächst einmal verwendet: Das Buddie-Motiv zwischen Denzel Washington und Chiwetel Ejiofor, die Weiße-Zicke-gegen-afroamerikanischen-Professional-Geschichte, die terroristische Klaustrophobie der Geiselnahme und das Chaos, das über-gerüstete Polizisten auf der Straße anrichten, das Spiel mit den Überwachungskameras und die persönlichen Beziehungen zwischen Gangstern und Geiseln. Man hat das alles schon mal gesehen und sieht es hier doch ganz anders.

Auch im Einsatz der formalen Mittel kann man Lees Film als seinen raffiniertesten ansehen, denn so konsequent versteht es kaum einer, die Erwartungen auf eine Weise zu unterlaufen, die eben nicht nur dem Suspense dient, sondern jede Sequenz zu einer Lektion von Wahrnehmung und kritischer Distanz macht. Mit dem Aus-der-Rolle-Fallen, den gezielt eingesetzten Flash Forwards (welche Richtung die ganze Geschichte einschlagen wird, weiß man schon sehr früh, aber tückischerweise wird gerade dadurch die Spannung der Frage nach dem Wie umso größer) und mit Einstellungen, die bewusst das Spiel der Täuschung so offen gestalten, dass man es beim Zuschauen mit etwas Aufmerksamkeit durchschauen kann. Durch intelligente Abschweifungen und Reflexionen geht Lee mit dem Genrematerial so aufklärerisch um, wie es nur möglich ist, ohne den Unterhaltungspakt des Kinos mit dem Publikum aufzukündigen. Es geht nicht darum, den Zuschauer zu überwältigen, es geht darum, ihn zu einem Mitspieler zu machen.

Am Ende freilich, das uns Spike Lee nicht allzu schwer machen will, ist neben den Genre-Bausätzen auch das politische Modell in seine Einzelteile zerfallen. Was wir gelernt haben über Bankraub und -besitz, Medienklischee und Straßenwirklichkeit, Alltagsrassismus und Machtspiele und nicht zuletzt über Kinobilder und Selberdenken, verlangt kaum Verbindlichkeit. Es ist wie mit den Helden dieses dekonstruierten Dramas. Sie haben am Ende keine Lösungen gefunden, sie haben keine eindeutige Position gefunden, sie haben sich nur auf mehr oder weniger brillante Weise aus dem Staub gemacht. Aber was heißt schon »nur«?

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