Kritik zu Heiter bis wolkig
In Marco Petrys Tragikomödie gilt der nahende Tod zugleich als Verführungsmethode und Lizenz für gewagte Abenteuer. Max Riemelt, Elyas M’Barek, Anna Fischer und Jessica Schwarz geben ihr Bestes fürs Zielpublikum
Doppelt hält besser: eine angetäuschte und dazu eine echte unheilbare Krebserkrankung dienen als Gerüst dieser Tragikomödie. Seit einigen Jahren ist in Filmen über Twentysomethings die »Deadline« als Geschmacksverstärker sehr beliebt. Regisseur Marco Petry, der seine Karriere im Jahr 2000 mit der unbefangenen Komödie Schule begonnen hatte, bedient sich großzügig bei bewährten Formeln. Zwar erscheint die Mitleidsmasche, mit der die beiden Kantinenköche Tim (Max Riemelt) und Can (Elyas M’Barek) Frauen aufreißen, bei realistischer Betrachtung eher als »urban Legend«. In dieser zuletzt im Drama »50/50« vorgeführten Methode setzt sich einer mit betrübter Miene an die Bar und wird von besorgten Mädels angesprochen. Der Kumpel sei unheilbar krank und habe einen letzten Wunsch, so die fiese Lüge, die im Film zunächst gut klappt, aber doch mehr Ärger als erwartet nach sich zieht. Denn die nette Marie, in die sich Tim verguckt, lebt mir ihrer tatsächlich unheilbar krebskranken Schwester zusammen. Diese Edda durchschaut Tim schnell und bringt ihn dazu, ihr seinerseits beim Erfüllen letzter Wünsche zu assistieren. Eddas To-do-Liste ist nicht so ausgeklügelt wie z.B. die Liste der Heldin des kanadischen Dramas Mein Leben ohne mich, beschert der Tragikomödie aber erfrischende Momente.
Anna Fischer und Max Riemelt haben schon in Wir sind die Nacht bewiesen, dass sie ein niedliches Pärchen abgeben. Jessica Schwarz als Marias große Schwester steuert Drama und Aggression bei. Zusammen mit dem ebenfalls populären Elyas M’Barek hat Petry das vielleicht bestmögliche »Spielmaterial « für eine attraktive Zielgruppenkomödie zur Verfügung. Dass er sich an amerikanischen Vorbildern orientiert, dass ein Kantinenkoch im filmischen Universum das Happy End stets in der schnuckeligen eigenen Beiz begeht, dass Sonnyboys zum erwachsenen Handeln geläutert und Männerfreundschaften gekittet werden – geschenkt.
Doch der Teufel steckt mal wieder im Drehbuchdetail und im Timing. So fehlt der Ouvertüre, in der die beiden Kumpel auf die Pirsch gehen, jenes Quäntchen Charme und Witz, mit dem US-Komödien Grobheiten verbrämen. Dumpfbacke Can bleibt ohnehin im Klischee stecken. Das Liebes- und Sympathiedreieck zwischen den Schwestern und Tim aber ist oft recht anrührend. Dennoch fragt man sich: Wo sind eigentlich die Eltern? Und warum wundert sich Marie nicht über die blühende Gesichtsfarbe ihres sterbenskranken Verehrers? So wird die Romanze zum Anhängsel der interessanteren Beziehung zwischen Tim und Edda. Jessica Schwarz gibt als wütende Kranke, die böse Witze über ihren Zustand macht und bei Hiobsbotschaften schon mal beim Arzt randaliert, ein verletzliches Biest. Edda versteht ihr nahes Ende als Lizenz für Grenzüberschreitungen mit anarchischer Note. Racheaktionen bei ihrem Exfreund und ihrer Exchefin, ihr Wunsch, mal mit einer Frau zu schlafen, aber auch ihre von den Freunden nicht unwidersprochen hingenommene Rücksichtslosigkeit retten die Geschichte über die Runden. Und am Ende verfehlt das Wechselbad aus schwarzem Humor und bewegender Melancholie nicht seine Wirkung. Das ist doch schon mal was.
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