Kritik zu Guilty of Romance
Der japanische Regisseur Shion Sono hat sich mit Filmen wie Love Exposure (2008) und Cold Fish (2010) einen Namen als Provokateur mit Punkattitüde gemacht. Nun kommt der dritte Teil seiner »Hass-Trilogie« ins Kino
Wo sich im Vorläuferfilm Cold Fish noch ein männlicher Protagonist mit Gewaltausbrüchen von seinen sozialen Zwängen befreite, sind es in Guilty of Romance gleich mehrere weibliche Figuren, die aus der Rolle fallen. Im Vordergrund steht die exzessiv ausgelebte Identitätskrise einer braven japanischen Hausfrau: Izumi (Megumi Kagurazaka) ist mit Yukio (Kanji Tsuda) vereiratet, einem erfolgreichen Autor romantischer Liebesromane. Worüber ihr Mann so erfolgreich schreibt, daran mangelt es in der Ehe umso mehr: statt Leidenschaft gibt es freudlose Rituale. Ihrem pedantischen Gatten gehorcht Izumi zunächst noch traditionell devot; Abend für Abend wartet sie auf seine Rückkehr von der Arbeit. Doch dann wird die frustrierte Hausfrau auf der Straße angesprochen und zu Nacktfotos überredet. Izumi findet bald Bestätigung bei ihrem geheimen Nebenjob und lässt sich gar zu simuliertem Sex vor der Kamera überreden. Sie trifft die Literaturprofessorin Mitsuko (Makoto Togashi), die des Nachts als dominante Edelprostituierte im Rotlichtmilieu Erfüllung findet. Nun wird echter Sex mit fremden Männern auch für Izumi zum belebenden Akt des Ungehorsams und der Emanzipation.
Guilty of Romance ist ein wilder Mix aus verstörendem Psychodrama, hartem Thriller und plakativem Sexfilm. Die Darstellung sexueller Erniedrigung von Frauen ist in Japan seit der Erfindung der »Pinky Violence«- und »Roman Porn«-Subgenres Anfang der 70er Jahre ein etablierter Bestandteil des Gebrauchskinos und muss, im Gegensatz zu Deutschland, nicht großartig hinterfragt oder künstlerisch gerechtfertigt werden. Deshalb fällt es Sion Sono nicht schwer, sich in einem Interview kokett als grausamen und zugleich feministischen Filmemacher zu bezeichnen. In der von Männern dominierten japanischen Filmlandschaft gilt es schon als fortschrittlich, wenn die gedemütigte Frau sich irgendwann im Film aus ihrer Opferrolle befreit. Die vielen drastischen Sexszenen in Guilty of Romance bedienen einigermaßen unverhohlen den voyeuristischen Blick des männlichen Zuschauers. Doch Sion Sono findet auch poetische und symbolisch aufgeladene Bilder für die aufkeimende sexuelle Befreiung seiner weiblichen Protagonistin. Ein junger Zuhälter bedrängt Izumi und bringt in seiner Hand vor ihrem Gesicht einen mit rosa Farbe gefüllten Ballon zum platzen. Izumi und auch die Kamera werden besudelt. Zügellose Begierde keimt auf. In solchen Momenten wirkt Guilty of Romance, als hätte der junge David Lynch in Japan eine Neuverfilmung von Luis Buñuels Belle de Jour gedreht. Sonos ungestümer Provokationswille und seine Vorliebe fürs Sexploitationkino´stehen allerdings der Souveränität im Wege, die seine Vorbilder Lynch und Buñuel so auszeichnet.
Statt der internationalen Verleihversion bringt REM in Deutschland die um 32 Minuten längere japanische Fassung in die Kinos, die eine zusätzliche Krimirahmenhandlung mit einer verheirateten Kommissarin beinhaltet, die mit der Aufklärung eines schrecklichen Prostituiertenmordes beauftragt ist und heimlich eine sadomasochistische Affäre hat.
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