Kritik zu Dogma
Kevin Smith sucht Engel, Teufel und den Lieben Gott
Wo wird sich das Schicksal der Menschheit entscheiden? Für den 29 Jahre jungen Regisseur Kevin Smith aus Red Bank in New Jersey ist die Antwort klar: Natürlich in New Jersey, dort wo bereits seine drei ersten Filme spielten: Clerks, Mallrats und Chasing Amy. Aber ganz so eng sieht Smith die Sache denn doch nicht, und so hat er seine von Engeln, Teufeln und verwirrten Menschen erzählende Komödie Dogma aus Gründen der praktischen Vernunft in Pittsburgh, Pennsylvania, gedreht.
Dogma ist ein frecher Geniestreich. Ohne mit der Wimper zu zucken lässt Smith leibhaftige Engel mit Flügeln auftreten, einen Dämon mit neckischem Teufelsgehörn, einen Herrn Metatron, der sich als Stimme Gottes vorstellt, zu guter Letzt auch noch den lieben Gott persönlich und dazu noch eine gewöhnliche Sterbliche, die dazu auserkoren ist, die Menschheit zu retten, weil sie doch nicht so ganz gewöhnlich ist, sondern die Groß-, Groß-, Groß... Nichte von Jesus. Skurrile Typen sind das allesamt, aber - ob Engel, Dämon oder Himmelsmanager - letztlich Wesen mit sehr menschlichen Zügen, guten und weniger guten, wie im richtigen Leben.
Man werde Dogma ja hoffentlich nicht allzu ernst nehmen, hat Comic-Fan Smith den Journalisten in die Feder diktiert. Und im Vorspann versucht er, allen religiösen Dogmatikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem er verkündet: "Gott hat Humor!" Doch wer hören kann und sehen, der wird auch so schnell merken: Dieser respektlose, kalauernde Filmspaß hart an der Grenze des guten Geschmacks hat ein Thema, das er so ernst nimmt, wie es lange kein ernster Film getan hat: die Suche nach Gott.
Diese Suche beginnt mit einem Reformversuch der katholischen Kirche in Red Bank. Kardinal Glick (George Carlin) findet die Figur des gekreuzigten Jesus zu deprimierend und stellt ein neues Konzept vor: Jesus als Kumpel, der dem Betrachter aufmunternd zuzwinkert und den Daumen der linken Hand optimistisch nach oben streckt. Während einer viertägigen Feier der kirchlichen Erneuerung soll jeder Gläubige, der durch das Portal der Kathedrale schreitet, den Ablass erhalten - seine Sünden werden vergeben.
Die beiden in Wisconsin lebenden, von Gott verstoßenen Engel Loki (Matt Damon) und Bartleby (Ben Affleck) beschließen, diese Chance zu nutzen, denn sie wollen unbedingt nach Hause zu Gott. Doch wenn die beiden durch diesen, als Dogma verkündeten, kirchlichen Service von ihren Sünden befreit würden und quasi gegen den Willen Gottes in den Himmel zurückkehren könnten, dann würde Gottes Unfehlbarkeit aufgehoben, die Werte würden sich in ihr Gegenteil verkehren: aus Weiß würde Schwarz, aus der Existenz würde das Nichts - das Ende der Menschheit wäre gekommen.
Da Gott selbst zur Zeit unauffindbar, möglicherweise sogar von bösen Mächten gekidnappt ist, versucht Metatron (Alan Rickman), die Stimme Gottes, die Menschheit zu retten. Er beauftragt Bethany (Linda Fiorentino), die seit längerem eine Glaubenskrise hat, Loki und Bartleby zu stoppen. Zu ihrer Unterstützung tauchen zwei Propheten mit zweifelhaftem Lebenswandel auf: Regisseur Kevin Smith als Silent Bob und sein Kindheitsfreund Jason Mewes als Dealer Jay - ein bekanntes Pärchen aus allen Smith-Filmen. Dazu stoßen der Schwarze Rufus (Chris Rock), der sich als in der Bibel unterschlagener 13. Apostel ausgibt, und Serendipity (Salma Hayek), früher eine himmlische Muse, die jetzt auf der Erde unter einer Schreibblockade leidet. Gegenspieler der Metatron-Truppe ist der Dämon Azrael (Jason Lee), der den Weltuntergang herbeisehnt, um endlich aus der Hölle zu entkommen.
Smith, der in einem katholischen Elternhaus aufgewachsen ist, hat das Drehbuch zu Dogma geschrieben, als er noch nicht einmal Mitte 20 war. Es ist eine reichlich wilde, aber zugleich auch eine gedanklich sehr frische Geschichte, deren Stärke gerade in ihrer jugendlichen Naivität und Unbekümmertheit liegt: Kirchliche und biblische Wahrheiten werden sehr direkt in Frage gestellt.
Vor allem der zornige Gott des Alten Testaments kommt dabei nicht gut weg. Matt Damon und Ben Affleck spazieren durch Dogma als wäre es Pulp Fiction: Wer gegen Gottes Gesetze verstößt, wird von den beiden Racheengeln ruck zuck umgebracht. Obwohl vor allem Bartleby klar ist, dass man Gott heutzutage mit einem Massaker keine Freude mehr macht: "Gott hat sich geändert." Einst hatten es sich die beiden mit Gott verscherzt, als sie nicht mehr bedenkenlos bereit waren, in seinem Namen zu töten.
Auf die Frage, wer Gott ist und wo er ist, gibt Kevin Smith eine überraschende Antwort: Gott ist möglicherweise eine Frau, die wie Alanis Morisette aussieht. Und ab und an gönnt sich Gott in wechselnder menschlicher Gestalt einen Kurztrip auf die Erde, um hier seinem Hobby nachzugehen: dem Minigolf. Es ist diese Respektlosigkeit, die Dogma zu einem Muss für alle macht, die noch einmal ganz neu über ihr Verhältnis zu Gott nachdenken wollen und über das, was die Kirchen an Antworten zu bieten haben. Denn auf der anderen Seite wird Dogma von großem Respekt getragen, Respekt vor den Sehnsüchten und Fragen der Menschen und vor ihrem Recht, in Freiheit über ihren Glauben entscheiden zu können.
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