Kritik zu Die letzte Sau

© Neue Visionen Filmverleih

Die Landwirtschaft steckt in der Krise. Hubers Hof auch. So schwingt sich der junge Mann aufs Motorrad und zieht in Aron Lehmanns fulminantem drittem Spielfilm als Rächer der Bauern und Retter der Mastschweine durch Deutschland

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Huber hat Scheiße am Fuß – buchstäblich und im übertragenen Sinn. Der marode Hof, den der Schweinebauer seit dem Tod der Eltern alleine bewirtschaftet, kommt gegen die indus­triellen Mastbetriebe nicht an. Alles bricht auseinander. Auch sein Freund, der örtliche Schlachter, wird gepfändet. Als der sich bei einem missglückten Banküberfall den Kopf wegpustet, hält Huber nichts mehr in der dörflichen Welt. Mit dem alten Motorrad, seiner letzten Sau im Beiwagen und einer Schrotflinte im Gepäck bricht er auf zu einer ungewissen Reise zu sich selbst, die man als Zuschauer mit einem stetig größer werdenden Staunen mitmacht.

In seiner dritten Regiearbeit gelingt Aron Lehmann eine ganz eigene Mischung aus Roadmovie und Heimatfilm. Golo Euler, trotz TV-Präsenz ein unverbrauchtes Gesicht, wird zum sympathisch verrückten Öko-Zorro, der in einem kontrollierten Amoklauf gegen die Massentierhaltung kämpft. Glücklicherweise erstarrt die grüne Botschaft nicht zur besserwisserischen Moralpredigt. In einer der schönsten Szenen wird Huber plötzlich von einem anderen Motorradfahrer überholt, der nicht nur seinen Kleidungsstil imitiert: Seine Anschläge gegen die Fleischindustrie gingen durch die Medien und riefen Nachahmer auf den Plan. Im Zuge immer absurderer Verwicklungen wird Huber von militanten Aktivisten rekrutiert, die aus Solidarität mit den leidenden Tieren Schweinefutter essen und zu grunzen beginnen. Nach langem Schlaf erwacht der Schweineflüsterer schließlich auf einem Hof, dessen Tiere wie in einem biblischen Paradies befreit und gleichwertig neben den Menschen leben. Traum oder Wirklichkeit?

Durch das stilsichere Jonglieren mit unterschiedlichen Genreelementen erzeugt Lehmanns humorvoll-poetische Groteske ein Wechselbad unterschiedlichster Stimmungen. Die schwäbische Mundart der Protagonisten und die dokumentarischen Blicke auf die Praktiken der modernen Schweinemast geben dem Film eine grimmige Bodenständigkeit. In einer Szene ist zu sehen, wie ein Ferkelchen geboren wird. Kurz darauf bricht ein Großbauer überzähligen Jungtieren mit routinierten Bewegungen das Genick. Tiersplatter-Schockbilder stehen neben traurigen Musical-Einlagen, in denen Hubers Freundin Birgit (Rosalie Thomass) ein Liebeslied trällert.

Eindrucksvoll ist auch, wie filmisch und sinnlich Lehmann denkt. Wenn ein Verrückter in Imkerkluft Huber verfolgt oder ein Meteor in seine Scheune einschlägt, dann bekommt die urbane Odyssee einen surreal-märchenhaften Touch. Herrlich skurrile Begegnungen mit Außenseitern und gescheiterten Existenzen bereichern den Film ungemein. Der mit Songs von Ton Steine Scherben überfrachtete Soundtrack mag nicht jedermanns Geschmack sein. Dennoch gelingt Lehmann ein großer Wurf, der das anarchische Potenzial von Godards »Weekend« mit dem Humor von Rosenmüllers »Wer früher stirbt, ist länger tot« verbindet. Unbedingt reingehen und weitersagen!

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