Kritik zu Die fast perfekte Welt der Pauline
In dieser französischen Romantikkomödie schmuggelt sich Isabelle Carré als verpeilte Möchtegernkünstlerin in das Leben eines Mannes, der durch ihre Schuld ins Koma fiel
»Ich bin Animatriste, äh, Animatrice«, verhaspelt sich Perrine, als sie ihre Kunden begrüßt. Ihre Auftritte, bei denen sie beispielsweise als Banane verkleidet auf der Geige fiedelt, sind nicht jedermanns Geschmack. Perrine führt eine Kummerexistenz: Sie annonciert auf Abreißzetteln Musikunterricht, verausgabt sich jedoch als Alleinunterhalterin bei Geburtstagspartys. Als sie, wieder mal im Stress, im Darth-Vader-Kostüm zum nächsten Auftritt fährt und sich verirrt, erschreckt sie einen Mann, den sie nach dem Weg fragen wollte, so sehr, dass der in eine Geröllhalde stürzt. Perrine alarmiert zwar die Sanitäter, eilt aber weiter zu ihrem Engagement. Voller Gewissensbisse besucht sie am nächsten Tag unter falschem Namen den ins Koma gestürzten Fabrice. Bei dem Versuch, ihm zu helfen, schmuggelt sie sich zunehmend in sein Leben und entdeckt in ihm einen Seelenverwandten.
Der Originaltitel »Les chaises musicales« bezieht sich auf das Spiel »Die Reise nach Jerusalem« und spielt darauf an, dass Perrine Fabrice schließlich in dessen Job in einer Musikschule vertritt. Der deutsche Titel dagegen suggeriert eine neue »Fabelhafte Welt der Amélie«, obwohl diese weit mehr aktive Hinterlist bewies als die tollpatschige Perrine. Doch auch Perrines Samaritertum ist von der Energie getrieben, das Leben eines Fremden in Ordnung zu bringen, wobei unwillkürlich auch die eigene verfahrene Existenz neue Impulse bekommt.
Dieses Spiel über Bande ist von Debütregisseurin Marie Belhomme als eine entwaffnend folgerichtige, von hübschen Ideen beflügelte Kettenreaktion angelegt. Nur sollte man gar nicht erst anfangen, darüber nachzudenken, wie glaubhaft eine fast vierzigjährige Möchtegernkünstlerin ist, die ausgerechnet in einer Provinzstadt wie dem bretonischen Rennes zu überleben versucht. Und doch ist diese Kunstfigur wie maßgeschneidert für Isabelle Carré, die hier die Allüre einer verpeilten Jugendlichen hat. Ähnlich wie in »Die Anonymen Romantiker« spielt sie eine verhuschte Träumerin, der andere über den Mund fahren und die in Situationen gerät, in denen sie improvisieren muss. Entspannt ist Perrine nur am Krankenbett von Fabrice. Doch als er aus dem Koma erwacht, ist sie hin und her gerissen zwischen Begehren und Angst. Im perfekten Kontrast tritt Carmen Maura als Kundin auf, die Perrine unter die Fittiche nimmt. Sie ist ebenso imperial und offensiv wie Perrine neurotisch und zaghaft.
Obwohl die Handlung auch an schnulzige Dramen wie »Während du schliefst« erinnert, bleibt der Tonfall stets leicht und unaufdringlich, verwandelt sich Perrines Menschenscheu mit gelegentlich rasantem Alltagsslapstick in clowneske Komik, ohne dass sie à la Pierre Richard zum Hanswurst gemacht wird. Auf der Zielgeraden zum Happy End gerät die niedliche Geschichte leider doch aus dem Takt. Doch dank Carré ist diese kleine Romantikschnurre mehr melancholisch als kindisch – und als Filmdebüt durchaus vielversprechend.
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