Kritik zu Der Prinz

© Salzgeber

Sebastián Muñoz verfilmt einen wenig bekannten homoerotischen Romanstoff aus den 70ern, der Chiles Weg in die Diktatur zum Hintergrund nimmt

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Eine durchschnittene Kehle und eine Blutlache, die sich über den Fliesen ausbreitet. Gleich die ersten Bilder machen klar, dass es in dieser Welt nicht zimperlich zugehen wird, auch wenn der Junge mit seinen Anfang 20 und dem Engelsgesicht noch so unschuldig aussehen mag. Jaime (Juan Carlos Maldonado) hat getötet und muss dafür ins Gefängnis; die Polizei greift im Chile des Jahres 1970 gnadenlos durch. Im Zuchthaus nimmt ihn der Zellenanführer Ricardo (Alfredo Casto), den alle nur »Potro« (»Hengst«) nennen, unter seine Fittiche. Jeder hier hat einen Knastnamen und so macht Potro den hübschen Neuen zum »Prinz« und erwartet im Gegenzug unbedingte Loyalität und sexuelle Unterwerfung. 

Für Jaime wird Ricardo eine Art Vaterersatz, er fühlt sich aufgehoben in der Männerwelt aus Kriminellen und Gewalttätern. Warum der schöne Prinz zum Mörder wurde, wird erst langsam in Rückblenden deutlich, in denen sich Jaime mit einem Mann anfreundet, der mit seinen Machismen großen Eindruck auf den Jungen macht. Jaime verknallt sich unglücklich und in einer durchzechten Nacht ist die Eifersucht so groß, dass er seine Liebe ersticht, um sie nicht teilen zu müssen. 

Regisseur Sebastián Muñoz arbeitete bisher als Produktionsdesigner und seinem Regiedebüt sieht man das besondere Augenmerk an, das er auf diese Gefängniswelt gelegt hat, die in ihrer Enge und ihrem Dreck authentisch und zugleich wie eine Bühne wirkt, auf der jeder seine Rolle einnimmt. Ein stilisiertes Machtspiel, das für sich steht und latent die Situation im Chile Anfang der 70er Jahre widerspiegelt, als Präsident Allende Sozialreformen versucht und damit landesweit Unruhen auslöst, die schließlich zu Pinochets Machtergreifung im September 1973 führen. Jaime ist Teil einer hedonistischen Jugend, die davon unberührt auf dem Vulkan tanzt, innerlich leer und auf der Suche; erst im Gefängnis findet er Halt und Struktur.

Der Film basiert auf einem lange verschollenen Undergroundroman, den der chilenische Reporter und Autor Mario Cruz 1972 als Groschenhefte selbst herausgebracht hatte. Muñoz stellt das Sensationalistische der Vorlage geradezu heraus, die vermeintlich amoralische Sexualität und die Dynamiken im maskulinen Universum des Gefängnisses. Die Vorbilder sind dabei überdeutlich, von Babencos »Der Kuss der Spinnenfrau« bis Fassbinders »Querelle«, und ähnlich wie diese Adaptionen von »Skandalbüchern« inszeniert Muñoz mit einigem Pathos eine dunkle Homoerotik, fetischisiert Gewalt und Exzess, untermalt von todtraurigen Liebesliedern, die von Tränen erzählen, die »wie Perlen ins Meer fallen«. Eine Geschichte der Selbstbehauptung ist es, die Muñoz da erzählt, während das Land draußen Richtung Diktatur taumelt. Wie aus der Zeit gefallen wirkt diese abgesonderte Welt hinter den Mauern. Gleich beim ersten Besuch weist Jaime seinen Vater an, nicht wiederzukommen. Er hat hier seinen Platz gefunden. Ein letztlich fatalistischer Ausblick: Die Spirale der Unterdrückung dreht sich ewig weiter.

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