Kritik zu Das Zen-Tagebuch
Yuji Nakaes Adaption des japanischen Bestsellers »Tsuchi wo Kurau Hibi – 12 Monate von der Erde essen« ist eine filmische Meditation über das Kochen, den Tod und die alltägliche Unruhe des Geistes
Der Schriftsteller Tsutomu (Kenji Sawada), ehemals Novize eines Zen-Klosters, zog sich nach dem Tod seiner Frau vor dreizehn Jahren in eine abgeschiedene Hütte am Rande eines Bergs zurück. Geprägt vom Rhythmus der Jahreszeiten, zelebriert er ein Leben im Gleichgewicht mit der ihn umgebenden Natur. Der ältliche Mann hält sein Heim instand, sammelt Beeren, Früchte und Wurzeln, die er in seiner kargen Kochnische mit spiritueller Hingabe zubereitet: Gewiss, nach einem Thriller klingt das nicht. Doch mit seiner Adaption von »Tsuchi wo Kurau Hibi – 12 Monate von der Erde essen«, einer autobiografischen Erzählung des namhaften japanischen Autors Mizukami Tsutomu, gelingt Yuji Nakae eine betörend schöne filmische Meditation über das Kochen, den Tod und die alltägliche Unruhe des Geistes.
Letztere wird verkörpert von Machiko (Takako Matsu), mit deren Anreise, von hektischer Jazzmusik unterlegt, der Film beginnt. Gerne lässt die junge Redakteurin, die für ein Magazin arbeitet, sich mit filigran zubereiteten Köstlichkeiten des Meisters verwöhnen. Ihre Aufforderung, Tsutomu möge doch seine Zen-Weisheiten zu Papier bringen, kommt allerdings einer Verführung gleich. Der Meister zögert – und er weiß, warum. Denn die unterschwellige Zuneigung zu Machiko sowie das intellektuelle Vergnügen des Schreibens: Das sind genau jene lauernden inneren Abgründe, die der Zen-Meister bislang mit rigider körperlicher Arbeit und der kontemplativen Hinwendung aufs Kochen im Zaum hielt.
Doch kaum hat Tsutomu begonnen, den Grundgedanken der Achtsamkeit in eine poetische Form zu bringen – da brennt ihm prompt der Reis an. Dieses kleine Malheur zelebriert der Film wie ein Stillleben, dessen penible innere Ordnung allmählich ins Wanken gerät. Die Assoziation von der Vertreibung aus dem Paradies durch den Sündenfall ist nicht weit hergeholt. Mit dem Tod von Tsutomus Schwiegermutter nimmt der Film noch mehr Fahrt auf. Der Meister muss kochen – für zahlreiche Trauergäste, was zu komischen Verwicklungen führt.
Die leitmotivisch wiederholte lukullische Verzückung der Protagonisten spiegelt sich in atemberaubend schönen Bildern. Der Kamerablick auf Wassersellerie, den der Meister nach der Schneeschmelze im April aus dem Boden zieht, sowie auf gelbe Pflaumen, die im Juni eingelegt werden, bewegt sich zuweilen an der Grenze zur Werbefotografie. Doch der Film bekommt die Kurve. Die Form steht im Dienst einer gar nicht so leicht zu erfassenden »Botschaft«. Geht es etwa um den verantwortungsbewussten, Konsum hinter sich lassenden Umgang mit der Umwelt? Nun ja. Zen, so wie es hier filmisch zelebriert wird, löst sich ja gerade von der »nachhaltigen« Beschwörung der Zukunft und blickt auf die Magie des Augenblicks hier und jetzt. Und im Gegensatz zur häufig anzutreffenden Lustfeindlichkeit des westlichen Nachhaltigkeitsgedankens ist »Das Zen-Tagebuch« eine cineastische Feier des kulinarischen Genusses: und vor allem der kulturellen Verfeinerung. Meisterwerken wie »Eat Drink Man Woman« oder »Babettes Fest« steht Yuji Nakaes leichtfüßige Stilübung in nichts nach.
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