Kritik zu Das Orangenmädchen
Regisseurin Eva Dahr hat Jostein Gaarders gleichnamigen Bestseller in Hochglanzkino mit einer Hochglanzphilosophie verwandelt. »Der Augenblick ist die einzige Ewigkeit, die es gibt«, auf diesen Satz steuert die Verfilmung zu
Ein Grundton von Melancholie liegt über dem Film, der gleich zu Beginn eine Rückblende zeigt mit einem Vierjährigen und dessen sterbendem Vater. Jahre später bekommt der Junge, Georg (Mikkel Bratt Silset), zu seinem 16. Geburtstag einen Packen Briefe des toten Vaters geschenkt, die er zunächst allerdings gar nicht öffnen will. Als Georg aber zu einer mehrtägigen Skiwanderung aufbricht, nimmt er die Briefe mit, als Botschaft aus dem Jenseits, die seinem Leben gleich eine neue Richtung gibt.
Drei Zeitebenen werden also miteinander verflochten: die Geschichte des Orangenmädchens, die der Vater in seinen Briefen erzählt, die des Sohnes, der auf Langlaufskiern von Hütte zu Hütte fährt, und schließlich, als eine Art Scharnier, die Geschichte des kranken Vaters, der weiß, dass er sterben wird, und über die Vergänglichkeit des Lebens und die Schmerzlichkeit des Abschieds sinniert.
Sein Vermächtnis an den Sohn ist die Geschichte vom Orangenmädchen. Jan Olav (Harald Thompson Rosenstrom), so der Name des Vaters, trifft das Mädchen in der Straßenbahn, wo es schön und unwirklich wie ein Trugbild erscheint, eine Tüte Orangen im Arm, und prompt verschwindet, nachdem bei einem harten Halt der Bahn alle Orangen auf den Boden gekullert sind. Jan Olav kann das Mädchen nicht vergessen und sucht es überall. Er bringt eine U-Bahnstation durcheinander, überrascht es in einem Café und trifft es schließlich nach einem Kirchenkonzert auf dem Friedhof, wo es sich küssen lässt.
Das ist hübsch, wenn auch sehr märchenhaft erzählt, vergoldet gewissermaßen, mit vielen orangefarbenen Requisiten. Immerhin kann Eva Dahr sehr witzig von der Liebe erzählen, die ein wenig einfältig macht. Wenn es um das Glück geht, fällt ihr dagegen erbärmlich wenig ein: Ein Brunnen in Sevilla, Jan Olav und das Mädchen, die sich mit Wasser bespritzen, im Hintergrund Orangenbäume – das hat die Kraft eines Abziehbildes.
Überzeugender ist Georgs Geschichte, die sich, angesiedelt im Schnee, mit einem Licht, das harte Schatten wirft, angenehm kühl von der vergoldeten Märchenerzählung abhebt. Georg, der bislang zu Menschen am liebsten Abstand gehalten hat (von seinem Vater ist ihm nur die Liebe zu den Sternen geblieben), läuft hier der süßen Stella hinterher, gewissermaßen unter Anleitung seines Vaters, dessen Lebensgeschichte belegt, dass die Zeit knapp ist und um die Liebe deshalb unbedingt gekämpft werden muss. Dieser Erzählstrang findet sich nicht im Buch, er dürfte einem jugendlichen Publikum den Zugang zur Geschichte jedoch erleichtern.
Philosophisch und ästhetisch wird dabei niemand überfordert: Schön traurig ist die Geschichte des Vaters und seines Orangenmädchens – aufmunternd die des Sohnes, der sich plötzlich traut, zu seinen Gefühlen zu stehen. Und weil die Lovestory des Vaters in das frische Leben des Sohnes geblendet wird, wird auch die harsche Einsicht in die Vergänglichkeit allen Seins ein Stück weit wieder aufgehoben – eine wahrhaft frohe Botschaft! Der Start zu Weihnachten ist für diesen Film jedenfalls passend.
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