Kritik zu Das Kombinat

© Real Fiction Filmverleih

Moritz Springer dokumentiert mit Zeit und Ausdauer die Entwicklung eines der größten Projekte der Solidarischen Landwirtschaft in Deutschland

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LPG nennt sich eine Berliner Bio-Kette, bei der sich der sozialistische Anklang des Namens im Wesentlichen auf einen Preisrabatt für Mitglieder beschränkt. Das Münchner »Kartoffel-Kombinat« geht einen entscheidenden Schritt weiter in der Dekonstruktion marktwirtschaftlicher Verwertungsketten. Es ist eine im Rahmen solidarischer Landwirtschaft (Solawi) organisierte Produktions- und Vertriebsgenossenschaft, die ihren Mitgliedern für etwa 70 Euro im Monat an Verteilpunkten im Stadtgebiet Gemüse aus aufgestellten Kisten anbietet und sie am Wochenende auch auf dem Hof mitarbeiten lässt.

Gegründet wurde das Kombinat 2011 mit fünfzig teilnehmenden Familien von den Aussteigern Simon Scholl und Daniel Überall auf dem Hof eines kooperierenden Biobauers. Als klar wird, dass dieser die dazugehörigen Gebäude doch lieber behalten will, scheint das Projekt nach wenigen Jahren am Ende. Doch dann steht eine ehemalige Baumschule mit fünf Hektar Land im Münchner Umland zum Verkauf. Sie würde mit Umbau anderthalb Millionen Euro kosten und Gemüse für 1 500 Menschen bieten – eine Verdopplung der bisherigen Größe. Die GenossInnen stimmen dem Kauf einstimmig zu. Doch der Aufwand an Reparaturen und Umbauten ist so enorm, dass die Mitarbeitenden mit 12-Stunden-Arbeitstagen und sechs-Tage-Wochen trotz freiwilliger Hilfsaktionen schon erledigt sind, bevor die gärtnerische Arbeit überhaupt beginnen kann.

Der Münchner Filmregisseur Moritz Springer war begeistert vom antikapitalistischen Spirit der Unternehmung und fing schon früh an, mit den beiden Gründern und Kombinats-Beteiligten zu drehen. Neun Jahre später haben sie in ihrem Film viele, oft unerwartete Irrungen und Wendungen zusammengetragen. Nicht nur, dass der Betrieb auf zuletzt 45 Beschäftigte für 2 000 hungrige Mäuler anwuchs. Auch die sich anfangs fast perfekt ergänzenden Persönlichkeiten und Konzepte der beiden Gründer leben sich immer mehr auseinander. Während Daniel auf Expansion setzt, um »niedrigschwellig größere Bevölkerungsschichten« zu erreichen, schwebt Simon die Auflösung hierarchischer Strukturen und Vernetzung mit anderen Solawis vor. Dass diese und andere Konflikte im Leitungsduo in die überarbeitete Mitarbeiterschaft durchschlagen, lässt sich in den leeren Gesichtern einer von der Kamera begleiteten Teamsitzung beobachten. Zur Vermeidung von Spoilern hier nur die Mitteilung, dass die Stimmung im »Kartoffel-Kombinat« zwanzig Minuten vor Ende des Films an ihren Tiefpunkt gekommen ist.

Der von Zwischentiteln wie »Entscheidungen« oder »Bewegungen« gegliederte und vom Filmemacher zurückhaltend in persönlichen Ton kommentierte Film öffnet sich gegen Ende immer mehr auch anderen Projekten der Solidarischen Landwirtschaft. Es tut gut, dass sich Springer die Zeit und den Raum nimmt, detaillierter auf die – auch materiellen – Hintergründe des Kombinats zu schauen. So dürfte der Film für viele in ähnlichen Projekten Arbeitende hilfreich sein.

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