Kritik zu Crossing: Auf der Suche nach Tekla

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2024
Original-Titel: 
Crossing
Filmstart in Deutschland: 
18.07.2024
V: 
L: 
105 Min
FSK: 
12

Bei der vergangenen Berlinale mit dem Teddy-Jurypreis ausgezeichnet, erzählt Levan Akins neuer Film nach »Als wir tanzten« von Außenseitern in Georgien und der Türkei

Bewertung: 4
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Das letzte Versprechen Lias (Mzia Arabuli) an ihre sterbende Schwester war, sich auf die Suche nach deren transsexueller Tochter Tekla zu machen, die vor längerer Zeit verschwunden war. Der Verbleib ihrer Nichte und der Wunsch nach Versöhnung treiben die alleinstehende Lehrerin im Ruhestand um. Der Jugendliche Achi (Lucas Kankava) hält es schon lange nicht mehr aus bei seinem älteren Halbbruder und dessen Familie, wo er seit dem Verlust der Eltern lebt. Lia und Achi – zwei Menschen in Georgiens Hafenstadt Batumi, die nichts verbindet als der Wunsch, im fernen Istanbul am anderen Ende des Schwarzen Meeres Antworten zu finden. Und womöglich ein neues Leben.

Nach Istanbul soll Tekla geflohen sein vor dem transfeindlichen Umfeld ihrer Heimat. Das sagt zumindest Achi, der sie flüchtig gekannt hat und zu wissen glaubt, wo sie zu finden ist. Und da er ein bisschen Türkisch und Englisch versteht, bleibt Lia nichts anderes übrig, als mit dem Jungen gemeinsam in die Metropole am Bosporus zu reisen. Im Prostituiertenviertel und in schäbigen Unterkünften der Stadt kommen sie auf ihrer Suche nicht so recht weiter. Niemand scheint Tekla zu kennen oder ihnen helfen zu wollen. Bis sie eher durch Zufall der jungen Transaktivistin und Anwältin ­Evrim (Deniz Dumanli) begegnen. Evrim hat nach langem Kampf endlich ihre weibliche Identität im Ausweis bestätigt und engagiert sich in einer NGO für die Belange von Transpersonen, unterstützt sie bei Querelen mit Polizei, Behörden und Anwohnern. Durch ihr Netzwerk hofft Lia endlich, ihre Nichte aufzuspüren.

Regisseur Levan Akin, 1979 in Schweden mit georgischen Wurzeln geboren, hatte vor fünf Jahren mit dem Coming-out-Drama »Als wir tanzten« Georgien auf die Landkarte des queeren Kinos gehievt. Wie dort verwebt er auch in seinem neuen Film »Crossing« Traditionen und Moderne, familiäre Zerwürfnisse und die Suche nach sozialen und sexuellen Identitäten. 

Der Titel ist durchaus vieldeutig, der Film zeichnet einen mehrfachen Übertritt nach, zwischen Ländern und Kulturen ebenso wie der Transition von Menschen, vom Fliehen aus dem falschen Leben und dem Fahnden nach dem richtigen. 

Den Alltag dieser Außenseiter inszeniert Akin empathisch und humorvoll auf Augenhöhe. Dank toller Besetzung (besonders die 72-jährige Mzia Arabuli als Lia ist eine schweigsame Wucht) und einem ungetrübten Blick auf die von Tourismus und Gentrifizierung noch unbehelligten Ecken Istanbuls gelingt ihm ein sehr lebendiges Porträt der lokalen LGBTQ-Community, die in Georgien und der Türkei gleichermaßen diskriminiert wird, sich in Istanbul aber auch zahlreiche Safe Spaces geschaffen hat. Akin glaubt dabei, trotz aller Widerstände, an die Kraft der Veränderung und das Solidarische im Menschen. Menschen haben Schwächen, aber sie können daraus lernen und wachsen. Ein Film, der zuletzt umso dringlicher wurde: Anfang Juni verkündete Georgiens Regierung ein Verbot sogenannter »LGBTQ-Propaganda« nach russischem Vorbild.

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