Kritik zu From Business to Being
Hanna Henigin und Julian Wildgruber gehen in ihrem Dokumentarfilm dem Konzept der »Achtsamkeit« nach: zwischen gesellschaftlicher Analyse, Darstellung des wissenschaftlichen Forschungsstands und Ratgebernützlichkeit
Achtsamkeit ist einer der Trendbegriffe der letzten Jahre. Und als Praxis längst in die Coaching-Kurse gestresster Bessergestellter gewandert. Die Theorie dahinter wird weltweit an Spitzenunis erforscht. Etwa von der Professorin Tania Singer am Max-Planck-Institut in Leipzig, die den neuronalen Niederschlag empathischer Gefühle im Gehirn untersucht. Der emeritierte Quantenphysiker Arthur Zajonk bietet in seinem »Mind and Life Institute« Meditation für Führungskräfte an und entwickelt parallel Konzepte »fürsorglich geschwisterlichen« Zusammenlebens.
Auch der MIT-Professor Otto Scharmer propagiert die Transformation vom »Ego- zum Öko-Bewusstsein«, welches das Wohlsein aller anderen einbezieht. Einig ist er sich mit den KollegInnen in der Einschätzung, dass sich mit dem Bild des Homo oeconomicus auch die praktizierten Wirtschaftsmodelle in Richtung einer »Caring Economy« verändern müssten. Was das konkret heißt? Im Film von Hanna Henigin und Julian Wildgruber sind es drei Aussteiger aus den oberen Etagen des Kapitalismus, die den Umbruch darstellen: Neben einem Auto- und einem dm-Manager der ehemalige Investmentbanker Rudolf Wötzel, der nach Burn-out und Wanderreise nun in der Schweiz eine Almhütte betreibt – sich aber wohl auch ein wenig Kleingeld mit der Verwertung seiner Ausstiegserfahrungen dazuverdient.
Ist der Ausstieg also nur der Gipfel des Luxus? Angesprochen werden solche (und andere) sich schnell aufdrängenden Widersprüche nicht in diesem Film, der ganz auf Einfühlung und auf den inszenierten Gegensatz zwischen Industriehässlichkeit und Natur setzt. Eine tüchtige Prise Déjà-vu aus »Koyaanisqatsi« und anderen »Achtsamkeitsfilmen« (so durfte Wötzel schon in Florian Opitz' »Speed« die Entschleunigung vertreten), auch der Dalai Lama kommt mal wieder vor. Aber vielleicht brauchen wir ja solche Filme wie die jährliche Fastenzeit. Fragt sich nur, ob und wie sich die Konzepte der »mindful leadership« sinnvoll in gesellschaftlichen Wandel und die Umwälzung weniger privilegierter Lebenswelten übersetzen lassen.
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