Kritik zu Better Man – Die Robbie Williams Story

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Ein Mann, der sich zum Affen macht: Das temperamentvolle Musicaldrama porträtiert mit einem gewagten Kniff den britischen Popstar Robbie Williams

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»Alles ist heutzutage Grunge«, sagt ein müder Musikproduzent zu den fünf Jungs, »Boygroups sind out.« Doch weil seine Tochter für sie schwärmt, bekommen sie ihren Vertrag. Die zu Beginn der Neunziger spielende Szene zeigt, wie unberechenbar die Moden sind und wie groß die Macht des Zufalls ist. Die Retortenband Take That, mit frischen Bubengesichtern und tanzbarem Pop das Gegenteil cooler Grunge-Typen, gibt es immer noch. Auch bei Robbie Williams hätten die meisten auf einen Absturz statt auf eine 25 Jahre andauernde Karriere gewettet.

Dieser Musikfilm wird vielleicht dasselbe Publikum begeistern wie »Bohemian Rhapsody« und »Rocketman«: ein Publikum, das einst, vor den jeweiligen Biopics, den Stadionrock von Queen und den im Glitzerfummel auftretenden Elton John nur als »guilty ­pleasure« goutierte. Auch diesmal sorgt eine kreative und gut gelaunte Inszenierung dafür, dass es intellektuellen Snobs wie Schuppen von den Augen beziehungsweise von den Ohren fällt. Take That mit Robbie Williams erzeugten nicht nur die schönsten Kreischereien weiblicher Fans seit den Beatles. Wie nebenbei kommt in der schlüssigen Verflechtung privater und künstlerischer Entwicklung die Qualität dieser Popmelodien zur Geltung.

Seine Energie bezieht dieses Porträt, dessen Handlung das Auf und Ab eines Popstars nachempfindet, durch eine gewagte Verfremdung. Williams, der sich selbst mal als Affen bezeichnete, wird durch einen mit Motion Capture generierten Affen verkörpert. Der Offkommentar wird von Williams gesprochen, doch die einzige äußere Ähnlichkeit sind große blaugrüne Augen. Dieser Kunstgriff schafft zugleich Distanz und, als Allegorie eines Menschen, der sich zum Affen macht, Nähe. Aus kleinen Verhältnissen stammend, ist Williams ein getriebener Emporkömmling. Als roter Faden dient seine Sehnsucht nach Anerkennung durch den Vater, einen Frank-Sinatra-Fan, der die Familie verlässt, um ein zweitklassiger Entertainer zu werden. Der Sohn, der seine Komplexe mit Draufgängertum übertönt, wird mit 15 Jahren für eine Boygroup gecastet. Take That tingeln zunächst durch Schwulenclubs und feiern mit einem zufälligen Auftritt vor einem ausflippenden Jungmädchenpublikum den Durchbruch.

Die Bühne ist Erlösung und Fegefeuer zugleich. Williams' innere Zerrissenheit wird durch sein verächtlich den Kopf schüttelndes Spiegelbild im Publikum veranschaulicht. Als Rampensau sprengt er die Band und auch seine Beziehung mit der Sängerin einer Girlgroup. Dann gelingt ihm als Singer-Songwriter, unterstützt von Komponist Guy Chambers und mit Alkohol und Drogen als ständigen Begleitern, eine Solokarriere.

Gespickt mit Musicalszenen im Stil von Baz Luhrmann, entwickelt die gefühlsselige Achterbahnfahrt dieser männlichen Dramaqueen unerwartet mitreißenden Drive – und ist, in der atemlosen Selbstentblößung eines Mannes im Bann seiner Ängste und Süchte auch ein bisschen rührend. Selbst »My Way«, die vielleicht kitschigste Selbstermächtigungshymne aller Zeiten, ist hier mehr als nur ein »guilty pleasure«.

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