Kritik zu Aus dem Abseits

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2015
Original-Titel: 
Aus dem Abseits
Filmstart in Deutschland: 
03.12.2015
L: 
112 Min
FSK: 
keine Beschränkung

Der Psychologe Peter Brückner war einer der wichtigsten Linksintellektuellen der Siebziger. Und er war eines der prominentesten Opfer des »Radikalenerlasses«. Jetzt zeichnet sein Sohn Simon Peter Brückners Leben nach

Bewertung: 4
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Als nach der Ermordung des Generalbundesanwalts Siegfried Buback durch die RAF 1977 in einer Göttinger Studentenzeitschrift ein »Nachruf« erschien, in dem der als »Mescalero« zeichnende Autor »klammheimliche Freude« zeigte (obwohl der Text eigentlich Gewalt verurteilte), hatte das weitreichende Folgen, die typisch waren für das hysterische Klima der siebziger Jahre. Die Justizbehörden leiteten Ermittlungsverfahren ein, auch gegen Nachdrucke. 48 Professoren gaben daraufhin eine Dokumentation heraus. Das niedersächsische Wissenschaftsministerium verlangte von den 13 beteiligten und vom Dienst suspendierten Professoren eine »Treueerklärung«. 12 haben sie unterschrieben. Einer nicht: Peter Brückner, der seit 1967 an der Technischen Universität Hannover Psychologie lehrte. Schon einmal, 1972, war er vom Dienst suspendiert worden, wegen angeblicher Unterstützung einer kriminellen Vereinigung, der RAF.

Der Regisseur Simon Brückner war vier Jahre alt, als sein Vater 1982 mit 59 Jahren starb. Erinnerungen hat er kaum welche an ihn, den großen Unbequemen der westdeutschen Professorenschaft und prominentestes Opfer der Berufsverbotspraxis der siebziger Jahre (dessen Hausverbot übrigens erst 1981 aufgehoben wurde).

So macht sich Simon Brückner auf die Suche nach seinem Vater, nach einem bleibenden Bild. Das eigene Bild beruhe ja zur Hälfte auch immer auf der eigenen Vorstellung, belehrt ihn einmal ein Freund seines Vaters, Axel Oestmann, und man kann in diesem Film dabei zusehen, wie es sich zusammensetzt, wenn es auch, zum Glück, nicht ganz schlüssig wird. Zum anderen sucht Brückner aber auch nach den Spuren einer politisch geprägten Biografie, nach Brüchen und Widersprüchen. Es geht also um das Private und das Politische, ganz im Sinne jener Jahre.

Peter Brückner, Sohn einer jüdischen Konzertsängerin, hat über seine Kindheit und Jugend zwischen 1933 und 1945 ein Buch geschrieben: »Das Abseits als sicherer Ort« – daher auch der Titel des Films. In den sechziger Jahren kommt er in Kontakt mit der antiautoritären Bewegung und zu SDS-Gruppen in Berlin und Frankfurt. Brückner wird zu einem der wichtigen Denker der Neuen Linken. Simon Brückner spricht mit den Weggefährten seines Vaters, besucht das Brückner-Archiv in Hannover (die Antrittsvorlesung »Der Rhesusaffe als Interpret seines Zoologen« fehlt leider), befragt seine Mutter Barbara Sichtermann, die dritte Frau seines Vaters, und seine Halbgeschwister aus der früheren Ehe, baut die gesprochenen Erinnerungen seines Vaters und Archivmaterial ein.

Meinung zum Thema

Kommentare

Verwandtschaft ist nicht unbedingt ein Garant für Gelingen. Dieser Film ist durch die Verklärungsbrille des Sohnes gesehen, was beim Zuschauer immer wieder Beklemmungen auslöst. Der Spurensuche gebricht es an kritischen Tönen, die die Retrospektive deutlich glaubhafter gemacht hätte. Die Revolte der 68-er nach außen lässt tragfähige Fortspinnungen in die Zukunft vermissen. Eine verjährte Revolte ist kein Garant für einen Heiligenschein.

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