Kritik zu Another German Tank Story
Hollywood in der ostdeutschen Provinz: Regisseur Jannis Alexander Kiefer erzählt von fiktiven Dreharbeiten zu einem Film über den Zweiten Weltkrieg und der skurrilen Interaktion zwischen Realität und Filmset
In Wiesenwalde trank einst der berühmte Komponist Georg Philipp Telemann aus einem Brunnen und wurde so von einer schweren Krankheit geheilt. Auf dieser Legende beruht die gesamte kulturelle Identität des fiktiven brandenburgischen Provinzörtchens. Die Dorfkneipe heißt »Telemann Klause«, der kleine Brunnen mit possierlicher Telemann-Statue ist das Wahrzeichen, und das Motto lautet: »Hier werden Wunder wahr«. Man könnte es auch anders sagen: In Wiesenwalde ist halt sonst nichts los, das Dorf ist so abgeschnitten, dass der Strom manchmal ausfällt, und die Wohnungseinrichtungen versprühen noch 50er-Jahre-Vibes. Doch nun soll sich alles ändern: Eine Crew aus Hollywood ist angereist und dreht einen Film über den Zweiten Weltkrieg.
Von dieser Konstellation ausgehend macht sich Jannis Alexander Kiefer in seinem Debütfilm auf, den Alltag der Bewohner zu erkunden. Da sind die engagierte, stets optimistische Bürgermeisterin Susanne (Meike Droste), ihr hängengebliebener Sohn Tobi (Johannes Scheidweiler), der für die Filmcrew fährt, obwohl er die Führerscheinprüfung nicht bestanden hat, Journalist Bert (Roland Bonjour), der nach jahrelanger Abwesenheit in die Heimat zurückgekehrt ist und sich eine große Story erhofft, und noch einige mehr. Dabei ergeben sich absurde Situationen: Bert hält das Lichtdouble eines Schauspielers für den echten Star, und im Hof von Susanne wird ein Panzer abgestellt und nicht abgeholt.
Aufgrund der Handlungsbeschreibung mag man eine klamaukige Komödie erwarten, doch der Ton des Films ist eher melancholisch, fast schwermütig. Die Anwesenheit von Hollywood lässt die stillen Sehnsüchte der Dorfbewohner zutage treten, mehr als nur ein belangloses Kaff zu sein. Eher nebenbei entsteht ein lakonischer Humor, etwa wenn die Dorfbewohner unbeholfen versuchen, sich auf Englisch zu verständigen, oder eben jener Panzer von einem Lkw angefahren wird, der größer scheint als alle Häuser. Die Filmcrew wirkt dabei wie ein schwer zu fassender Geist. Susanne wird am Set-Eingang abgewiesen, Tobis Chef gibt über Funkgerät Anweisungen, und die »echten« Stars werden unsichtbar in Limousinen eingefahren.
»Another German Tank Story« gehört mit »Alle reden übers Wetter«, »Micha denkt groß« oder aktuell »Mit der Faust in die Welt schlagent« zu einer Reihe jüngerer Filme, die sich dem Leben in der ostdeutschen Provinz widmen. Politische Themen streift der Film nur am Rande, eher geht es um das Erkunden einer Mentalität. Allerdings bleibt zu den Figuren eine gewisse Distanz, was auch daran liegt, dass sie kaum Entwicklungen durchmachen. Es hätte der Dramaturgie des Films vielleicht nicht geschadet, angedeutete Plot-Twists wie die Verbindung zwischen Bert, Susanne und Tobi weiter auszuführen. So bleibt der Film eine etwas starr wirkende Zustandsbeschreibung. Passend dazu gibt es oft stehende, impressionistisch angehauchte Bilder des Ortes, über denen ein beständiger Grauschleier zu liegen scheint. Dieses Wiesenwalde wirkt fast genauso fern wie Hollywood.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns