Kritik zu Alles ist Eins. Außer der 0.

© Neue Visionen Filmverleih

2018
Original-Titel: 
Alles ist Eins. Außer der 0.
Filmstart in Deutschland: 
29.07.2021
L: 
90 Min
FSK: 
6

Was wurde aus den Utopien von gestern: Klaus Maeck und Tanja Schwerdorf porträtieren den Chaos Computer Club von der Gründung im Jahr 1981 bis heute

Bewertung: 3
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Klaus Maeck und Tanja Schwerdorf schenken den Datenpunks des Chaos Computer Clubs (CCC) ein punkiges Porträt. In wilder Montage wirft uns ihr Dokumentarfilm »Alles ist eins. Ausser der 0.« durch die Jahre, von der Gründung der Hackervereinigung 1981 in den Redaktionsräumen der »taz« bis heute. Nebenbei wird ein großer Brocken Zeitgeschichte erzählt: Kalter Krieg, Mauerfall, LSD, Hippies, erste Grundzüge der aufkommenden Kommunikationsgesellschaft, Timothy John Berners-Lees WWW-Code, diverse berühmte Hacks des CCC und und und. Dazu gibt's Punk auf die Ohren, Songs der Goldenen Zitronen, der Toten Hosen, der Einstürzenden Neubauten und von Rio Reiser. Der Song »Computerstaat« der Band Abwärts ist so etwas wie der Refrain des Films.

Fixpunkt der Geschichte des CCC ist Herwart Holland-Moritz alias Wau Holland. »Eine Art Waldschrat in einer krachledernen Dreiviertelhose«, erinnert sich Peter Glaser, ehemaliger Chefredakteur der CCC-Zeitschrift »Datenschleuder«, an die erste Begegnung mit Holland in Hamburg 1984. Glaser sitzt im Film, der auch von Spionagegeschichte handelt, wie ein Bond-Bösewicht mit seiner Katze vor flackernden Röhrenmonitoren und fungiert als Erzähler.

Holland, Typ bärtiger Teddybär, der sich selbst als Datenkünstler beschrieb, war mit seinen visionären Ansichten während der erst aufkeimenden digitalen Transformation der CCC-Papst. Gemeinsam mit Mitstreitern, darunter Steffen Wernéry, erster Pressesprecher des CCC, oder Andy Müller-Maguhn, Wernérys Nachfolger und heute Vorstandsmitglied der Wau-Holland-Stiftung, feilte er an einem aus heutiger Sicht leider völlig utopisch erscheinenden Demokratieverständnis: an dem Grundsatz, die Mittel der Maschinen in den Dienst eines ungehinderten sozialen Austauschs zu stellen. Wau spricht im Film von einem »kreativen, schöpferischen Umgang mit Technik«. 

»Alles ist eins. Ausser der 0.« zeigt, wie aus den subversiven Hackernerds jenes heute maßgebende Korrektiv wurde, das bei Fragen von digitaler Demokratie und Datensicherheit nicht mehr wegzudenken ist. Der jährlich im Dezember stattfindende Chaos Communication Congress ist das Mekka der internationalen Hackergemeinschaft.

Maeck und Schwerdorf gelingt eine unterhaltsame, überbordende, an manchen Enden ausfransende Kulturgeschichte der Digitalisierung. Und ein dokumentarfilmisches Manifest des analogen Menschseins, denn, so sehr es um digitale Kommunikation geht: Es ist der persönliche Austausch, der im Sinne des CCC als der existenziellste zelebriert wird. »Diesen ganzen virtuellen Dreck abschminken«, grummelt Wau einmal. 

Man möchte ihm beipflichten und sein Smartphone im Wasser versenken. Am Ende tauchen mit Edward Snowden und Julian Assange noch die »Datenpunks« unserer Tage auf. Diese Geschichte kann nicht oft genug erzählt werden: Wir leben digital in einer Dystopie, in der Daten das teuerste Gut sind. Mit Freiheit hat das, was die großen Datenkrakenkonzerne betreiben, wenig zu tun.

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