Sommerberlinale [9]
Die hier bereits für den zweiten Tag prophezeite Erfolgsmeldung hat die Berlinale tatsächlich erst zwei Tage nach dem Ende der Sommerberlinale verschickt – na gut, die Sommerberlinale war ja auch außerhalb der Hauptstadt kein Thema, fand die mediale Berichterstattung doch bereits anlässlich der Branchenveranstaltung im März statt. »Ein wirklich tolles Ereignis und ein voller Erfolg« nennt es das Leitungsduo in der Pressemitteilung. In Zahlen ausgedrückt: »An 16 Spielstätten in ganz Berlin wurden in 193 Vorführungen 126 Filme der diesjährigen Filmauswahl gezeigt. 60.410 Tickets wurden verkauft, damit lag die Gesamtauslastung bei 92,16 Prozent.« Zudem »reisten insgesamt über 330 Gäste an.« Für das Berliner Publikum war das, einige Wochen bevor die Kinos am 1. Juli regulär wieder öffnen dürfen, auf jeden Fall ein Ereignis, Mariette Rissenbeek antwortete in Interviews auf die Frage nach einer Wiederholung im nächsten Jahr, dass es durchaus möglich sei, mehr als das halbe Dutzend an Berlinale-Filmen zu zeigen, mit denen die Vorführungen der Open-Air-Kinos in den letzten Jahren regelmäßig bestückt wurden.
Wettermäßig hat die Sommerberlinale – die wegen der Pandemiebestimmungen ausschließlich in Open-Air-Kinos stattfand – ja Glück gehabt: keine Unwetter wie derzeit im Südwesten, nicht einmal starke Regenfälle, nur der Wind machte mehreren Vorführungen in jenen Kinos, wo aufblasbare Leinwände zum Einsatz kamen, einen Strich durch die Rechnung, darunter auch jener, in der ich »French Exit« sehen wollte. Da ist in absehbarer Zeit wohl auch nicht mit stabileren Leinwänden zu rechnen, wie es auf Nachfrage hieß. In diesem Jahr war das das Risiko der Kinobetreiber, denn im Gegensatz zu anderen Festivaljahren, wo die Kinos vom Festival angemietet werden und die Einnahmen dem Festival zugutekommen, war es diesmal anders: die Einnahmen verblieben bei den beteiligten Kinos, quasi als zusätzliche Fördermaßnahme zur Neueröffnung. Das heißt, der Verlust für die ausgefallene Vorstellung von »French Exit« bleibt bei der Kinogruppe hängen, die das Open-Air-Kino am Schloss Charlottenburg betreibt. Ob die Berlinale da in kommenden Sommern ins Risiko geht oder sich lieber mit ihren (dann zahlenmäßig eingeschränkten) Filmvorführungen auf solche Leinwände beschränkt, die stabil sind, wird sich zeigen. Der Ausfall einer Vorführung ist natürlich auch ärgerlich für die angereisten Talente – schließlich hat nicht jeder in der Stadt alte Bekannte und Freunde oder ist mit Freunden angereist, wie »French Exit«-Regisseur Azazel Jacobs, der den Abend deshalb gut verkraftete und am nächsten Tag seinen Film persönlich präsentieren konnte.
Mit der zweigeteilten Berlinale hat das Festival sicherlich für dieses Jahr die bestmögliche Lösung gefunden, natürlich vermisst man als Kritiker die Kinoleinwände, das Treffen mit Kollegen und vor allem die Gespräche mit den Filmschaffenden, aber ich muss sagen, dass ich die Möglichkeit des Streamens an manchen Tagen auch genossen habe – kein hektisches Hin-und Herpendeln zwischen entfernten Locations, kein langes Schlangestehen, keine nervigen Smartphonebenutzer, die die Konzentration auf das Leinwandgeschehen durch helles Licht stören. Ob das langfristig Auswirkungen hat, wird sich zeigen, Tatsache ist, dass Pressevorführungen derzeit ungleich schlechter besucht sind als zuvor. Weil die Kritiker sich lieber Links schicken lassen? Weil sie den Aufwand eines täglichen Corona-Tests scheuen? Vermutlich wird es in Zukunft auch viel mehr Interviews per zoomlink statt live geben.
P.S. Starttermine der Berlinale-Filme habe ich hier bekanntgeben, neues scheint da bis jetzt nicht hinzugekommen zu sein, aber zumindest kann man den georgischen Dokumentarfilm »Taming the Garden« noch einmal am 17.7. im Open Air Kino am Haus der Kulturen der Welt sehen. Darin werden riesige Bäume aus ihrer natürlichen Umgebung in private Gärten verlagert – was einen beträchtlichen Aufwand – in finanzieller wie in logistischer Hinsicht – erfordert. Der Film zeigt das, in aufgebrochener Chronologie, ohne jeglichen Kommentar. Faszinierend (auch wenn man gern ein wenig mehr Hintergrundinformationen am Ende gehabt hätte).
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