Blog

Gerhard Midding

Zu den Widersprüchen des Kinos der NS-Zeit, die mich stets fasziniert haben, zählt der Umstand, dass so viele seiner Stars mit Akzent sprachen. Gut, bei Lilian Harvey war er charmant unauffällig. Aber bei Zarah Leander, Marika Rökk, La Jana und vielen anderen ließ er sich deutlich vernehmen. War das eine Besetzungsstrategie der Domestizierung oder gab sie einem mulmigen Exotismus nach?

Gerhard Midding

Ich hatte eine halbe Ewigkeit nicht an sie gedacht. Beinahe hatte ich sie vergessen. So viele Ereignisse in Deutschland überschatteten, überschrieben sie später. Ihr zentraler Satz war mir fast schon nicht mehr geläufig. Ich musste erst die Nachrufe auf Richard von Weizsäcker lesen, um schlagartig erinnert zu werden an seine große Rede vor dem Bundestag am 8. Mai 1985. Sie alle wissen es (wieder): Am 40. Jahrestag des Kriegsendes in Europa sprach er nicht von Niederlage oder der Stunde Null, sondern von Befreiung.

Gerhard Midding

Auf dem Festival in Sundance führten gerade George Lucas und Robert Redford ein angeregtes Gespräch. Die beiden Veteranen des New Hollywood tauschten vor interessiertem Publikum ihre Ansichten darüber aus, wie aufregend das Filmgeschäft einst war und wozu es heute geworden ist. Lucas tritt bei solchen Gelegenheiten in letzter Zeit als kulturpessimistischer Elder Statesman auf.

Gerhard Midding

Zu den schlechterdings unwiderlegbaren Theorien, die ich hege, gehört jene, dass ein Land wie Mexiko sich am besten in Schwarzweiß filmen lässt. Gewiss, als Kulisse von Hollywood- und Italowestern hat es sich zuweilen auch in Farbe bewährt. Und Alfonso Cuaron, Angelo Gonzaléz Innaritu und etliche ihrer Zeitgenossen würden wahrscheinlich heftig widersprechen. Aber sie drehen ihre Farbfilme mittlerweile ja auch anderswo.

Gerhard Midding

Jacques-Alain Bénisti, der Bürgermeister des Pariser Vorortes Villiers-sur-Marne, besitzt eine Fähigkeit, um die ihn manche meiner Kollegen beneiden werden, denn sie erspart Zeit und Mühen: Er ist in der Lage, einen Film zu beurteilen, ohne ihn gesehen zu haben. In seinem Amt ist er es natürlich gewohnt, Entscheidungen auf Grundlage von Informationen zu treffen, die ihm sein Mitarbeiterstab zuträgt.

Gerhard Midding

"Ich kannte das alte Wien von vor dem Krieg nicht..." In einem weltläufigen Tonfall, als würde er einem Fremden nachts in einer Bar eine Anekdote erzählen, macht uns die Stimme eines Schmarzmarktschiebers zu Beginn von der Der Dritte Mann mit dem Schauplatz vertraut. Dazu sehen wir Impressionen von einer Stadt, deren einstiger Glanz in Trümmern liegt.

Gerhard Midding

Der Anschlag auf die Redaktion der satirischen Wochenzeitschrift "Charlie Hebdo" in der Pariser Rue Nicolas Appert liegt einen Tag zurück und wahrscheinlich ist das Entscheidende darüber bereits gesagt und geschrieben worden oder fand Ausdruck in spontan organisierten Demonstrationen; auch hier in Berlin. Die Erschütterung und Empörung sind groß. Den Opfern gebührt unsere Hochachtung und ihren Angehörigen unser Mitgefühl.

Gerhard Midding

London mag zwar nicht mehr die Metropole der Maßschneider sein; diesen Titel macht ihm heute vermutlich Hongkong streitig. Gleichwohl wird an der Themse das handwerkliche Ethos des individuellen, persönlichen Zuschnitts nach wie vor hoch gehalten. Was bei den Herrenausstattern der Savile Row ehrwürdige Tradition hat, könnte auch ein Konzept für die Zukunft der Lichtspielhäuser sein: nicht Kino von der Stange, sondern custom-tailored.

Gerhard Midding

Was gewisse saisonale Rituale angeht, halte ich es mit Oscar Wilde: "Gute Vorsätze sind Schecks ausgestellt auf eine Bank, bei der man kein Konto hat." Natürlich nehme auch ich mir eine Menge Dinge vor. Aber allein schon mein Arbeitsalltag ist eine kontinuierliche Lektion in Vergeblichkeit: Wann wäre ein Text schon einmal so geworden, wie ich ihn geplant oder mir erhofft habe? Zudem frage ich mich, warum man gute Vorsätze (hat man je von schlechten gehört?) zu Jahresbeginn fasst und nicht aus gegebenem Anlass, zum Beispiel nach einem Arztbesuch, einem verpassten Zug oder einer Scheidung?

Gerhard Midding

Wenn gewisse Kritiker einem Film ein linkshändiges Lob aussprechen wollen, wählen sie dafür gern den Auftakt: "Er erfindet zwar das Kino nicht neu, aber...". Natürlich gehört es zu den Anforderungen dieses Berufs, die Vorhut zu bilden: Wir müssen Kunde geben von dem Neuen. Dennoch scheint mir dieser Vorbehalt ein wenig träge. Er ist ein Passepartout, mit dem man selten falsch liegt.