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Gerhard Midding

Im Gegensatz zu den anderen Künsten lässt sich die Geburtsstunde des Kinos sehr genau bestimmen: Es geschah in der Mittagszeit des 19. März 1895. Zu diesem Zeitpunkt postierte sich Louis Lumière mit seinem Cinématograph in der Rue Saint-Victor gegenüber der Hausnummer 22-23 und forderte seine Angestellten auf, die optischen Werke, die er zusammen mit seinem Bruder Auguste betrieb, durch das Fabriktor zu verlassen.

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Vor einigen Jahren betreute mein Pariser Gastgeber für die Zeitschrift "Positif" einen Themenschwerpunkt über Ernst Lubitsch und fragte, ob es nicht eine neue, frische Perspektive aus Deutschland dazu gebe. Ich hatte eine Idee, für dich ich selbst als Autor ungeeignet war, die ich aber viel versprechend fand: Man könnte doch einmal nachforschen, ob es trotz allem nicht Spuren von Lubitsch' Stil im deutschen Tonfilmkino gebe? Wir mussten die Idee fallen lassen, da sich kein Autor fand, der diese Forschungsarbeit in so kurzer Frist bewältigen könnte.

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Es kam dann alles ganz anders. Aber es kam nicht so, als dass man sein Eintrittsgeld hätte zurückverlangen müssen. Die Akzente verschoben sich mächtig. Ein Podiumsgast trat bescheiden hinter einen anderen zurück. Die Theorie überließ der Praxis das Feld. Mehr oder weniger.

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Bei unseren ersten Telefongesprächen wollte er rein gar nicht über seine eigene Arbeit sprechen. Er stellte vielmehr lauter Fragen nach dem Verbleib seiner alten Weggefährten: Was aus Eva Mattes geworden sei, bei wem Peter Kern heute spielen würde. Natürlich interessierte er sich für den Werdegang seiner Kollegen, besonders den der Kameraleute Jörg Schmidt-Reitwein oder Igor Luther. Ob Wolf Wondratschek noch immer über Boxen schrieb, wollte er wissen. Selbst nach Walter Bockmayer erkundigte er sich.

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Die Spitze des Eisbergs ist anscheinend gründlich aus der Mode gekommen. Als Metapher hatte sie sich längst schon abgenutzt, bevor ich auf die Welt kam. Wenn mich das Suchprogramm meines Computers nicht täuscht, habe ich sie in den letzten anderthalb Jahrzehnten auch nur ein einziges Mal in einem Text benutzt. Besäße es also nicht sogar eine gewisse Originalität, wenn ich sie wieder einmal ins Gespräch brächte?

Auf Filmfestivals lässt sie sich durchaus anwenden. Schließlich kann nur ein verschwindend geringer Bruchteil der eingereichten Filme gezeigt werden.

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Beinahe wäre er aus den falschen Gründen in die Filmgeschichte eingegangen. Lange Zeit war er vor allem bekannt dafür, Gegenstand eines berühmten Experiments zu sein. Lew Kuleshow montierte eine Großaufnahme, in der sein Gesicht keinen Ausdruck erkennen ließ, hinter die Einstellungen eines Suppentellers, eines Sargs und eines Kindes. Das nichtsahnende Publikum brach in Entzücken aus über die Kunst Ivan Mosjukins, Hunger, Trauer und väterliche Fürsorge auszudrücken.

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So höflich sind wohl nur japanische Firmenchefs zu ihren Untergebenen: "Verzeihen Sie, dass ich allen Abteilungen so viel Arbeitet bereitet habe", schrieb Isao Takahata in einem Rundbrief während der Produktion an Die Legende der Prinzessin Kaguya. Und sein Kollege Hayao Miyazaki fügte einer Zeichnung folgende Entschuldigung hinzu: "Sie ist nicht präzise genug, das Gesicht ist zu groß geraten. Vielen Dank, wenn Sie das verbessern."

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Bis zum Ausbruch der Digitalen Revolution stand ich in dem Glauben, Artefakte seien von Menschenhand hergestellte Gegenstände. Diese Ansicht teilte wohl auch ein Großteil der Archäologen. Also fand ich es zunächst wunderlich, dass Bildstörungen auf DVDs ebenfalls so genannt werden. Derlei sich selbstständig machende Pixel sind Ihnen gewiss von alten Silberscheiben oder zu häufig wiederholten TV-Serien bekannt.

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Mit ihm verbindet sich eine meiner lebhaftesten und zugleich diffusesten Fernseh-Erinnerungen. In jener Zeit, als es nur drei Programme gab und unser Gerät noch schwarzweiß war, geriet ich eines Sonntagnachmittags in einen Krimi, in dem er einen Mann spielt, der nach einem Unfall aus einer Ohnmacht erwacht und sich plötzlich in der fremden Existenz eines Millionärs wiederfindet. Der Sportwagen, den Louis Jourdan dort fährt, weist die 60er als die Entstehungszeit aus.

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Hat der Schein im Kino je eine andere Aufgabe, als zu trügen? Wenn man Filmkritikern Glauben schenkt, nein. Die sind meist mächtig fasziniert davon, wie die Bilder ihr Publikum hinters Licht führen und wähnen sich als eingeweihte Komplizen des Streichs, der da gespielt wird.