ARD-Mediathek: »Families Like Ours – Nur mit Euch«
© Zentropa Entertainments/StudioCanal/CANAL+/TV 2/ARD Degeto Film/Per Arnesen
In banger Erwartung blickt der Architekt Jacob (Nikolaj Lie Kaas) auf den Wasserspiegel seiner Toilette. Denn das, was sein Schwager, Mitarbeiter des Außenministeriums, ihm soeben unter dem Siegel der Verschwiegenheit eröffnete, ist bedrohlich: »Dänemark liegt zu niedrig. Auf lange Sicht rentiert es also nicht, uns zu sichern. Deshalb ist es besser, jetzt geordnet umzuziehen, als wenn es zu spät ist.«
Aufgrund des steigenden Wasserpegels wird das ganze Land evakuiert, binnen kurzer Zeit. Mit den Gefängnissen hat man schon begonnen. Dieses Szenario spielt Thomas Vinterberg in seiner dystopischen Serie durch, einem international koproduzierten Prestigeprojekt, das von der Degeto mitfinanziert und im ARD-Fernsehen ausgestrahlt wird.
Im Fokus des Siebenteilers steht eine Patchworkfamilie, deren Mitglieder die Folgen der Katastrophe unterschiedlich erleben. So versucht Jacob, noch schnell sein wertlos gewordenes Haus abzustoßen. Die anschließende Übersiedelung nach Paris erweist sich als schwierig. Viele Dänen migrieren, und so herrschen strenge Einreisebestimmungen.
Jacobs 19-jährige Tochter Laura (Amaryllis August) entschließt sich, ihrer geschiedenen Mutter nachzureisen, der als weniger gut betuchten Migrantin nur der Weg nach Rumänien offensteht. Auf der Odyssee nach Bukarest gerät sie jedoch in die Fänge skrupelloser Schlepper, worauf der Kontakt abreißt. Auf der Suche nach Laura wird ihr Freund Elias (Albert Rudbeck Lindhardt) in Polen von Flüchtlingshassern so brutal zusammengeschlagen, dass er womöglich nie mehr richtig laufen können wird.
Die Skizze des Plots lässt erahnen, dass das vorwiegend in Radiodurchsagen und Dialogen präsente Hochwasser nicht das eigentliche Thema ist. Auf Katastrophen-Szenarien im Stil von Roland Emmerich verzichtet der dänische Filmemacher selbstredend. Der Mitbegründer von Dogma 95 will eher die Erschütterungen hervorkehren, die die Katastrophe auf das Seelenleben der Menschen hat. Die Miniserie wirft daher die Frage auf: Was wäre, wenn bislang sorglos lebende Dänen nun ihrerseits das Schicksal von Migranten erleiden müssten? Wenn sie in Nachbarländern zu unerwünschten Personen erklärt würden und um Visa und Arbeitsgenehmigung bangen müssten? Und wenn sie in einem ehemaligen Ostblockland neu anfangen und auf alles verzichten müssten?
Die Vertreibung aus dem Wohlstandsparadies, so verdeutlicht die Serie, geschieht den Dänen recht. Der Schlüsselvorwurf, den Jacob sich in Paris von einem befreundeten Arbeitgeber stellvertretend für seine Landsleute anhören muss, lautet daher: Er und seine Frau seien »ziemlich verwöhnte Leute«. Die Realität würde sie schon einholen!
Allerdings erscheint das Szenario jener lokal begrenzten Apokalypse, von der Vinterberg und sein Co-Autor Bo Hr. Hansen erzählen, schon ein wenig konstruiert. Das stets nur beiläufig gezeigte Hochwasser ist eigentlich nur ein Aufhänger. Bebildert werden unterschiedliche Szenarien des Leidens, die motiviert sind aus dem Geist jener protestantischen Ethik, die in skandinavischen Filmen häufig variiert wird. Am deutlichsten zeigt sich dies in der Figur des schwulen Schlossbesitzers Henrik (Magnus Millang). Nicht nur wurde er zeitlebens von seinem homophoben Bruder malträtiert. Durch ein vermeidbares Missverständnis erschießt er ausgerechnet den Sohn eines hilfsbereiten albanischen Handwerkers. Nachdem er mit seinem Ehemann Nikolaj (Esben Smed) die Leiche beseitigt, entbrennt das innere Fegefeuer: »Ich hätte große Lust, die Strafe selbst zu tragen«, sagt Henrik. »Es wäre vielleicht eine Erlösung für alle.«
Die in Dänemark, Schweden, Tschechien, Frankreich und Rumänien vergleichsweise aufwendig inszenierte Serie hat ihre Momente. Abgesehen von den beiden blassen Hauptdarstellern Amaryllis August (Laura) und Albert Rudbeck Lindhardt (Elias) schaut man den dänischen Schauspielern, allen voran Paprika Steen, gerne zu.
OmeU-Trailer
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