Sky: »The Sympathizer«
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Saigon, 1975. Auf dem schmalen Dach eines Hauses wartet ein startbereiter Hubschrauber. Über eine Leiter retten sich Menschen im letzten Moment panikartig vor den näher rückenden Vietcong. Das Bild repräsentiert ikonisch die Verfehlung amerikanischer Militärintervention. Später avancierte dieses Vietnamdebakel zu einem einträglichen filmischen Subgenre. Doch egal, ob »Apocalypse Now« oder »Platoon«, meist geht es vornehmlich um das Martyrium von US-Marines. Das Schicksal der Vietnamesen interessiert in amerikanischen Produktionen meist ebenso wenig wie die politische Gemengelage in diesem südostasiatischen Land.
Dieses Thema greift nun der Südkoreaner Park Chan-wook mit seinem Co-Showrunner Don McKellar auf. Das aufwendige Prestigeprojekt, realisiert von der namhaften Independent Filmproduktion A24 für HBO, basiert auf der Vorlage des 2015 erschienenen, mit dem Pulitzerpreis ausgezeichneten Roman von Viet Thanh Nguyen. Der Anglistikprofessor weiß, wovon er schreibt. Als Flüchtling, der die Situation von 1975 miterlebte, kennt er den politischen Hintergrund Vietnams ebenso wie die Situation jener Landsleute, denen er ins amerikanische Exil folgte.
In gestaffelten Rückblenden erzählt die komplexe Adaption von einem namenlosen Doppelagenten, genannt »der Captain«. In einem Umerziehungslager muss er eine dieser kommunistischen »Beichten« ablegen. Wieder und wieder soll er – bis ins kleinste Detail und in epischer Ausführlichkeit – aufschreiben, wie er zunächst die südvietnamesischen US-Kollaborateure infiltrierte. Und wie er später deren Flucht koordinierte. Von gesteigertem Interesse ist vor allem, wie die vietnamesischen Flüchtlinge später in der kalifornischen Exilcommunity von amerikanischer Dekadenz entfremdet werden.
Diese ambivalente Grundsituation ist wie gemacht für Park Chan-wook. Die schizophrene Situation des Sympathisanten erinnert an dessen Meisterwerk »Oldboy«, in dem Park die Abgründe einer konstruierten Identität ausleuchtete. In diesem Sinn ist auch die innere Zerrissenheit des Doppelagenten kaum zu übertreffen. Der Australier Hoa Xuande spielt ihn als jemanden, der sich permanent verstellen muss. Sogar vor sich selbst.
So macht er sich vor, er sei überzeugter Kommunist. Als Grenzgänger zwischen den Welten muss er aber die Verlogenheit der sozialistischen Ideologie am eigenen Leib erfahren. Ebenso wie die Annehmlichkeiten eines funktionierenden Wirtschaftssystems. Diesen Widerspruch drückt die Serie durch ausdrucksstarkes Alternieren zwischen den Schauplätzen aus. So muss der Captain im Umerziehungslager glaubhaft darlegen, wie furchtbar der Kapitalismus tatsächlich sei. Sein parallel dazu gezeigtes Dahingleiten im Cabrio über die unbegrenzte Weite eines kalifornischen Highways vermittelt indes ein etwas anderes Gefühl.
Über weite Strecken ist die üppig ausgestattete Serie visuell faszinierend umgesetzt. Kaleidoskopisch zersplitterte Szenenfolgen erzählen, wie jener General, als dessen rechte Hand der Captain tätig ist, in den USA einen Schnapsladen eröffnet. Mit dem satirisch überspitzten Blick auf die Produktion eines allzu typischen Vietnamfilms ist die Serie unversehens beim Kernthema angelangt. Der als Berater engagierte Captain will den Regisseur mit Engelszungen davon überzeugen, den vietnamesischen Komparsen durch mehr Dialogzeilen zu einer Stimme zu verhelfen.
Vergeblich. Der Filmemacher, von Robert Downey Jr. bis zur Kenntlichkeit entstellt, versteht gar nicht, was gemeint ist. In vier weiteren Rollen variiert Downey Jr. amerikanische Antagonisten und deren exotischen Blick auf Vietnam. Das ist sehenswert – hat der Serie aber teilweise zu Recht auch die Kritik eingebracht, sie würde doch wieder jene westliche Perspektive einnehmen, die ja eigentlich unterwandert werden soll. Formal erscheint der Siebenteiler so etwas heterogen, ist aber aufgrund seiner komplexen Vielschichtigkeit sehenswert.
OV-Trailer
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