Kritik zu Die Taschendiebin
Park Chan-wooks Nachfolgerfilm zu seiner ersten englischsprachigen Produktion »Stoker« erzählt bildgewaltig und perspektivenreich von der Dreiecksbeziehung zwischen einer Meisterdiebin, ihrem aalglatten Auftraggeber und dem vermeintlich nichtsahnenden Opfer
Der Plot des neuen Films von Park Chan-wook lässt sich scheinbar leicht zusammenfassen: Es geht um die Dreiecksbeziehung zwischen einer Meisterdiebin, ihrem aalglatten Auftraggeber und dem vermeintlich nichtsahnenden Opfer, einer naiven Adelstochter. Diese grobe Übersicht aber gibt nur einen Bruchteil des narrativen Spiegelkabinetts wieder, das der koreanische Regisseur hier konstruiert. Allianzen, Abhängigkeiten und Machtverhältnisse sind so fluide und trügerisch wie die Identitäten seiner Figuren – und die visuelle Struktur des Films.
Der Nachfolger zu »Stoker«, dem ersten englischsprachigen Film des Regisseurs, spielt wieder in Asien, im von Japan besetzten Korea der 1930er Jahre. Er beruht allerdings auf einem englischen Roman – »Fingersmith« von Sarah Waters – und atmet dementsprechend sowohl im Erzählstil als auch im wunderbaren Setdesign dezidiert viktorianische »Alte Welt«-Luft: Ein großer Teil der Handlung spielt etwa in einem atemberaubend inszenierten Herrenhaus, dessen einer Flügel westlich und dessen anderer östlich eingerichtet ist – was man durchaus auch als selbstreferenziellen Kommentar auf Chan-wooks Stil verstehen kann. Dazu kommen dramatische Verwicklungen um Leidenschaft und Wahnsinn, wie sie auch den Bronté-Schwestern gut zu Gesicht gestanden hätten.
Die titelgebende »Taschendiebin« ist Sook-hee. Die junge Frau schleicht sich in den Haushalt des eremitischen japanischen Nobelmanns Kuzuki ein, indem sie sich als Kammerzofe seiner verzogenen Tochter Hideko ausgibt. In Wirklichkeit arbeitet sie dem Gangsterboss Fujiwara zu, der unter falscher Identität das Vertrauen der schönen Hideko gewinnen, sie ehelichen und schließlich in ein Irrenhaus einweisen will – all das, um an das immense Erbe zu gelangen, von dem auch Sook-hee ihren Teil bekommen soll. Die abgebrühte Diebin folgt zunächst minuziös und mit Verachtung für ihr harmloses Opfer dem perfiden Plan. Dann aber verliebt sie sich in Hideko. So beginnt eine leidenschaftliche Affäre, die alles ins Wanken bringt.
Was folgt, ist eine vertrackte erotische Abenteuergeschichte mit Referenzen von de Sade bis zum japanischen Maler Hokusai, dessen berüchtigtes Gemälde »Traum einer Fischersfrau« eine besonders prominente Rolle spielt. Der Regisseur spinnt um diese Anleihen ein meisterhaftes Netz aus verschiedenen perspektivischen Erzählsträngen: Teilweise werden lange Abschnitte des Films aus anderer Sichtweise wiederholt und offenbaren so Schritt für Schritt die düsteren Geheimnisse des Plots. Ein wenig übertreibt es Park Chan-wook schließlich mit dieser Taktik, die den Film etwas unnötig auf beinahe zweieinhalb Stunden aufbläst. Am meisten überzeugt »Die Taschendiebin« schließlich in den Momenten der Zweisamkeit seiner beiden Protagonistinnen, die echte Wärme und Vertrautheit ausstrahlen. Sie sind das wichtige emotionale Zentrum eines Films, der, wie für Chan-wook üblich, sonst eher die finstersten Gefilde menschlicher Hörigkeit auslotet.
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