Sky: »The Penguin«
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Colin Farrells Auftritt als »Penguin« in »The Batman« (2022) war eine Art Zirkusnummer: Man staunte mehr darüber, dass unter der dicken Schicht von Maske tatsächlich Farrell stecken sollte, als dass man sich Gedanken über die Figur und ihre Rolle im DC-Universum machte. In der Serie, in der Penguin nun die Titelfigur ist, sollte sich das eigentlich umdrehen. Aber tatsächlich bringt einen Farrells Auftritt als watschelnder Mann mit Narbengesicht, schütterem Haar und dickem New-York-Akzent diesmal nur noch mehr zum Nachdenken über Dinge wie: Was bedeutet eigentlich »unkenntlich«? Jemanden tatsächlich nicht wiederzuerkennen? Oder schließt das Wort die vage Ahnung mit ein, dass man den »Unkenntlichen« doch kennt?
»The Penguin« spielt nicht nur im selben Universum wie »The Batman«, sondern reiht sich direkt in dessen Chronologie ein: In den ersten Szenen hört man die Nachrichtenkanäle von Gotham die Attentate des »Riddler« melden, die zur katastrophischen Überflutung eines Stadtteils geführt haben und zum Mord am Mafiaboss Carmine Falcone. Durch eines unterscheiden sich Film und Serie jedoch abrupt: Batman als Figur taucht in »The Penguin« nicht nur nicht auf, er wird noch nicht einmal erwähnt. Von niemandem.
Das führt zur eigenartigen Prämisse, dass »The Penguin« zwar den Anschluss an das »Branding« des DC-Superhelden-Universum sucht, aber gleichzeitig so wenig wie möglich mit der Comicwelt zu tun haben möchte. Der Vergleich, der sich nicht nur anbietet, sondern den die Serie dem Zuschauer mit zahlreichen Anspielungen in Inszenierung und Figurenkonstellation regelrecht aufdrängt, ist stattdessen der zu den »Sopranos«, David Chases legendäre Serie, die von 1999 bis 2007 lief und für viele sowohl Beginn wie Inbegriff des »Prestige-TV« darstellt.
Man kann den Vergleich natürlich dazu nutzen, um herauszustellen, in wie vielen Punkten – und es sind viele – »The Penguin« hinter dem großen Vorbild zurückbleibt. Noch interessanter aber ist es, ihn einfach wirken zu lassen. Schon an James Gandolfinis Figur arbeitete man sich als Zuschauer am Widerspruch ab, dass man mit einem Antihelden mitfieberte, der ein skrupelloser Mörder war. Farrell als Penguin spitzt das Dilemma noch zu: Sein Mafia-Underdog kommt tatsächlich als mitleiderregende Gestalt daher, von wegen Klumpfuß und Narbengesicht. Und dann führt er auch noch die »richtigen« Parolen im Munde, klagt die Ungleichheit an, spricht von der Macht der »Eliten« und davon, dass sie den »kleinen Mann« ausbeuten. Ähnliches passiert bei der Figur, die zu seiner machtvollen Gegenspielerin wird, Sofia Falcone (großartig: Cristin Milioti), die als mögliche Nachfolgerin auf dem Mafiathron eine mit feministischen Themen unterfütterte Trauma-Backstory bekommt: Auch mit ihr will man mitfühlen, während man sich fragt, wann die Grenze zum Soziopathentum überschritten ist. »The Sopranos« wird heute gepriesen als große Reflexion über den Untergang des amerikanischen Traums in der Post-Reagan-Ära. Ob »The Penguin«, angesiedelt im Machtvakuum des von Attentaten erschütterten Gotham, der Gegenwart einen bedeutsamen Spiegel vorhalten kann, muss sich noch zeigen.
OV-Trailer
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