Mubi: »Self-Portrait as a Coffee Pot«

»Self-Portrait as a Coffee Pot« (Serie, 2022). © MUBI

»Self-Portrait as a Coffee Pot« (Serie, 2022). © MUBI

Tanz um die Kaffeekanne

William Kentridge kann man getrost als künstlerischen Tausendsassa bezeichnen. Der 69-Jährige arbeitet als Maler, Bildhauer, Performancekünstler, inszeniert Opern und schreibt Theaterstücke. Der politisch engagierte Südafrikaner mit litauisch-jüdischen Wurzeln setzt sich dabei immer wieder mit der Apartheid-Vergangenheit in seiner Heimat auseinander. Am 4. November erhält er dafür in Essen den Folkwang-Preis 2024.

Mit seinen jüngsten Arbeiten kehrt er zu seinen Ursprüngen zurück. In den 1980ern hatte er begonnen, Animationsfilme zu drehen, deren Einzelbilder er mit Kohle oder Pastellfarben schuf. Mit der neunteiligen Reihe von Kurzfilmen von je etwa einer halben Stunde, die den verspielten Titel »Self-Portrait As A Coffee Pot« trägt, nimmt er dieses Verfahren wieder auf und erweitert es mit Realbildern zu einer Reflexion über Kunst und Künstlerdasein.

Entstanden ist sie zwischen 2020 und 2022, während des Lockdowns und danach, in seinem Studio in Johannesburg, der Schaffensprozess ist ebenso Teil der Selbstinszenierungen wie Gespräche, die er wortwörtlich mit sich selbst führt: als Doppelgänger, die sich am Schreibtisch gegenübersitzen und mal mit sich, mal direkt in die Kamera über kreative Rituale und Philosophien, über Einflüsse, Wahrnehmung und Selbstzweifel sprechen. Dabei fährt er ein schier überbordendes Arsenal an filmischen Mitteln auf, Realbilder und Animationen, Stop-Motion und Fast-Forward. Aufnahmen von sich vor einer weißen Wand projiziert er auf eine Fläche, die er übermalt, die Handarbeit dabei stets sichtbarer Teil des Prozesses im Bewegtbild. Ein animiertes Notizbuch – die Bleistiftkritzeleien und Pinselstriche korrespondieren mit den Bewegungen vor der Kamera.

Im Laufe der neun Episoden fächert sich so eine eigens kuratierte und kommentierte Retrospektive seines Werks auf. Dass diese Selbstporträts nicht zu selbstgenügsamen Selbstbespiegelungen werden, liegt nicht zuletzt an seiner unnachahmlichen Selbstironie. Und am schier endlosen, dabei kurzweiligen Ideenfluss und Kentridges Talent, das eigene Schaffen und dessen Verwurzelung in Kultur, Geografie und Geschichte Südafrikas in seinem Reichtum, aber auch traumatische Konflikte unprätentiös und stimulierend in Worte zu fassen. Immer wieder kommt der passionierte Kaffeetrinker dabei als Running Gag auf seine geliebte italienische Mokkakanne zu sprechen, die er in unzähligen Zeichnungen, Illustrationen und Trickfilmen festgehalten hat.

Nach diversen Ausstellungen und Installationen, zuletzt am Rande der Kunstbiennale in Venedig, im Arsenale Institute for Politics and Representation, wo die neun Filme in einem Nachbau von Kentridges Studio noch bis 24. November zu sehen sind, hat nun der Streamingdienst Mubi die Shorts in sein Repertoire aufgenommen. Anders als in Venedig, wo die Reihe chronologisch gezeigt wird, lässt sich online hin und her springen und nach eigenem Gusto eintauchen in Kentridges Werk und Gedankenwelt. Wer damit auf den Geschmack kommt, kann sich auf 2025 freuen. Zum 70. Geburtstag gibt es im Museum Folkwang und den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden eine gemeinsame Ausstellung mit Kentridge.

OV-Trailer

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