Film des Monats Juli: »Die Ermittlung«

© Leonine Distribution

Empfohlen von der Jury der Evangelischen Filmarbeit

Herr Zeuge. Sie waren Vorsteher des Bahnhofs, an dem die Transporte einliefen. Wie weit war der Bahnhof vom Lager entfernt?« Fast ohne Vorspann führt uns RP Kahls Film »Die Ermittlung« (nach Peter Weiss‘ gleichnamigem Theaterstück) in eine Gerichtsverhandlung. Es ist der erste Frankfurter Auschwitzprozess (1963-65), einer der wichtigsten Prozesse zur strafrechtlichen Aufarbeitung der NS-Verbrechen in der BRD. 

Auf einer fensterlosen, mit Scheinwerfern ausgeleuchteten Bühne hören wir die Prozessbeteiligten in streng choreografiertem Wechsel. Ermittelt wird gegen 18 Funktionsträger des KZ Auschwitz wegen Mordes und Beihilfe zum Mord (tatsächlich standen 22 vor Gericht). Der Film gliedert sich in elf Abschnitte. Sie beginnen bei der Rampe, wo die Lagerverantwortlichen bei Ankunft der Menschentransporte über Leben und Tod entschieden, und enden in den Feueröfen.

Das Frankfurter Schwurgericht musste die direkte Beteiligung der Angeklagten an den Morden in Auschwitz nachweisen. Entsprechend erfragen im Film der Richter und Staatsanwalt präzise Abläufe und Verantwortlichkeiten, und ob die Zeug*innen Angeklagte identifizieren können. Die Angeklagten thronen auf Stühlen schräg hinter den Zeug*innen, was ihren dreisten Ausflüchten eine bedrohliche Note gibt. Die emotionale Zurückhaltung der Schauspieler*innen und ihre schlichten Kostüme im Stil der 60er Jahre lenken die Aufmerksamkeit auf ihre Aussagen, die auf Mitschriften aus dem Prozess beruhen. Die Nüchternheit der Inszenierung entspricht dem dokumentarischen Geist der Textvorlage. Sie lässt die Tatsachen für sich sprechen und unterstreicht das Barbarische und Menschen-verachtende der hier verhandelten Verbrechen. 

Vor 60 Jahren wurde im Auschwitzprozess ein Menschheitsverbrechen strafrechtlich aufgearbeitet und die deutsche Gesellschaft damit konfrontiert. Heute muss eine nachwachsende Generation die Erinnerung an den Holocaust neu beleben, um das Geschehene vor dem Vergessen, vor Verharmlosung oder Leugnung zu bewahren. RP Kahls aktuelle Verfilmung des Theaterstücks von Peter Weiss ist ein äußerst sehenswerter Kinofilm über den ersten Frankfurter Auschwitzprozess. Er bewahrt die Zeugnisse der in Auschwitz verübten Verbrechen auf eindrückliche Weise, so dass heutige Generationen sich das Thema neu erschließen können.

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