Apple TV+: »Where's Wanda?«

»Where's Wanda?« (Serie, 2024). © Apple TV+

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Wo jeder jeden kennt

Sundersheim ist eine typische Kleinstadt, irgendwo in Deutschland. Jeder kennt jeden. Alles geht seinen geregelten Gang. Wanda (Lea Drinda), die hier mit ihren Eltern und ihrem schwerhörigen schwulen Teenagerbruder Ole (Leo Simon) lebt, hat eigentlich rein gar nichts zu befürchten. Wirklich nicht? Als die 17-Jährige plötzlich vom Erdboden verschwindet und die Polizei nicht den geringsten Anhaltspunkt hat, gilt die Faustregel: Ist binnen 100 Tagen keine Spur von ihr zu finden, so sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass sie noch lebt, auf unter zehn Prozent.

Damit wollen ihre Eltern Carlotta (Heike Makatsch) und Dedo Klatten (Axel Stein) sich keinesfalls abfinden! Wandas T-Shirt taucht in einem Altkleidercontainer um die Ecke auf. Ihre Tochter kann also nicht weit weg sein. Die komplette Nachbarschaft steht daher unter Generalverdacht. Zusammen mit seinem technikaffinen Sohn beschließt das Paar, alle Häuser in der Umgebung zu verwanzen. Getarnt als Elektriker, geben sie vor, Rauchmelder zu überprüfen: »Eine tote Batterie bedeutet oftmals auch den Tod für Sie!« – Mit diesem unwiderstehlichen Reim verschaffen sie sich Zutritt zur Privatsphäre anderer Leute.

Und schon bald haben Carlotta und Dedo die Intimitäten der kompletten Kleinstadt als Videopanoptikum vor Augen. Das ist die Ausgangssituation der ersten deutschsprachigen Serie von Apple TV+. Zoltan Spirandelli, der das Buch zusammen mit dem Briten Oliver Lansley verfasste, ließ sich offenbar vom Konzept des Welterfolgs der ersten deutschen Netflix-Serie inspirieren. Aus »Dark« wurde – wie Apple TV+ die Serie bewirbt – eine »Dark Comedy«. Und der Schauplatz wurde von Winden in das nicht minder deutsch wirkende Provinzstädtchen Sundersheim verlegt.

Wie bei Apple TV+ gewohnt, springen zunächst die aufwendige Machart sowie der markante visuelle Stil ins Auge. Die in blassen Farben gehaltenen Bilder muten an wie im Gegenlicht fotografiert. Bis in Nebenrollen hinein sind hochkarätige Darsteller wie Joachim Król als trauriger Trinker und Devid Striesow als Elvis-Fan mit Vorliebe für exotisches Großwild besetzt. Und wie in Baran bo Odars Welterfolg »Dark« spielt auch hier eine tragende Rolle der düstere deutsche Wald, in dem man überraschenderweise einem gefährlichen Tiger begegnen kann.

Wo also befindet sich Wanda, nach deren Verbleib der Titel dieser Serie fragt? Ohne allzu viel zu verraten, kann man sagen, sie durchlebt die verschärfte Form eines Stockholm-Syndroms. Nicht nur dass sie sich in ihren Entführer verliebt. Vor dem Sex hat sie obendrein erhebliche Mühe, dem Peiniger glaubhaft zu versichern, dass sie ihn nicht wegen seiner Hautfarbe diskriminiert: »Das ist einvernehmlich – soll ich dir was unterschreiben?« Vielfältig und divers ist die Serie also schon. Der Plot wird jedoch recht umständlich eingefädelt. Aus der Videoüberwachung macht die Serie zu wenig. Und so kommt auch der schwarze Humor nicht recht auf Touren.

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