Apple TV+: »Where's Wanda?«
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Sundersheim ist eine typische Kleinstadt, irgendwo in Deutschland. Jeder kennt jeden. Alles geht seinen geregelten Gang. Wanda (Lea Drinda), die hier mit ihren Eltern und ihrem schwerhörigen schwulen Teenagerbruder Ole (Leo Simon) lebt, hat eigentlich rein gar nichts zu befürchten. Wirklich nicht? Als die 17-Jährige plötzlich vom Erdboden verschwindet und die Polizei nicht den geringsten Anhaltspunkt hat, gilt die Faustregel: Ist binnen 100 Tagen keine Spur von ihr zu finden, so sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass sie noch lebt, auf unter zehn Prozent.
Damit wollen ihre Eltern Carlotta (Heike Makatsch) und Dedo Klatten (Axel Stein) sich keinesfalls abfinden! Wandas T-Shirt taucht in einem Altkleidercontainer um die Ecke auf. Ihre Tochter kann also nicht weit weg sein. Die komplette Nachbarschaft steht daher unter Generalverdacht. Zusammen mit seinem technikaffinen Sohn beschließt das Paar, alle Häuser in der Umgebung zu verwanzen. Getarnt als Elektriker, geben sie vor, Rauchmelder zu überprüfen: »Eine tote Batterie bedeutet oftmals auch den Tod für Sie!« – Mit diesem unwiderstehlichen Reim verschaffen sie sich Zutritt zur Privatsphäre anderer Leute.
Und schon bald haben Carlotta und Dedo die Intimitäten der kompletten Kleinstadt als Videopanoptikum vor Augen. Das ist die Ausgangssituation der ersten deutschsprachigen Serie von Apple TV+. Zoltan Spirandelli, der das Buch zusammen mit dem Briten Oliver Lansley verfasste, ließ sich offenbar vom Konzept des Welterfolgs der ersten deutschen Netflix-Serie inspirieren. Aus »Dark« wurde – wie Apple TV+ die Serie bewirbt – eine »Dark Comedy«. Und der Schauplatz wurde von Winden in das nicht minder deutsch wirkende Provinzstädtchen Sundersheim verlegt.
Wie bei Apple TV+ gewohnt, springen zunächst die aufwendige Machart sowie der markante visuelle Stil ins Auge. Die in blassen Farben gehaltenen Bilder muten an wie im Gegenlicht fotografiert. Bis in Nebenrollen hinein sind hochkarätige Darsteller wie Joachim Król als trauriger Trinker und Devid Striesow als Elvis-Fan mit Vorliebe für exotisches Großwild besetzt. Und wie in Baran bo Odars Welterfolg »Dark« spielt auch hier eine tragende Rolle der düstere deutsche Wald, in dem man überraschenderweise einem gefährlichen Tiger begegnen kann.
Wo also befindet sich Wanda, nach deren Verbleib der Titel dieser Serie fragt? Ohne allzu viel zu verraten, kann man sagen, sie durchlebt die verschärfte Form eines Stockholm-Syndroms. Nicht nur dass sie sich in ihren Entführer verliebt. Vor dem Sex hat sie obendrein erhebliche Mühe, dem Peiniger glaubhaft zu versichern, dass sie ihn nicht wegen seiner Hautfarbe diskriminiert: »Das ist einvernehmlich – soll ich dir was unterschreiben?« Vielfältig und divers ist die Serie also schon. Der Plot wird jedoch recht umständlich eingefädelt. Aus der Videoüberwachung macht die Serie zu wenig. Und so kommt auch der schwarze Humor nicht recht auf Touren.
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Kommentare
Spoiler
Sehr geehrte Damen und Herren,
ihre "Review" ist ein unglaublicher Spoiler für die Auflösung der Serie. Wie kann so etwas veröffentlich werden? Und dann noch nicht mal mit einem *Spoiler Alert* und stattdessen mit dem Hinweis "Ohne zu viel zu verraten"... tztztz...
Where is Wanda
Die Serie enttäuscht leider sehr, vor allem durch die Dialoge, die mir sehr holprig erscheinen. Alle Figuren bleiben distanziert, nicht einmal mit den Eltern kann man wirklich mitfühlen - ist es nur schlechte Schauspielerei oder schon das Drehbuch? Carlottas Rede auf dem Fest wirkt nur wie leere Worte, die Annäherung zu ihren Nachbar:innen (eine spontane Hausgeburt??) ist genauso künstlich. Spannung entsteht eigentlich nur an zwei Punkten, nämlich als Wanda verfolgt wird - das „Drama“ wurde also irgendwie verfehlt. Plot-Twists erscheinen erzwungen (warum geht die ermittelnde Kommissarin nicht im entscheidenden Augenblick ans Telefon - und überlässt ein wichtiges Gespräch dem Kollegen, den sie selbst eigentlich für inkompetent hält?).
Für eine Komödie wurde sich auch zu wenig Mühe gegeben - vielleicht hat das Thema (vermisstes Kind) am Ende doch zu sehr gebremst? Die Schreiber sich nicht genug getraut? Leider endet die Serie auch sehr deutsch - die ermittelnde Kommissarin macht dem Vater klar, dass er wegen der Überwachung mit Konsequenzen zu rechnen habe - während sie über Monate hinweg das Doppelspiel ihres Kollegen nicht mal bemerkt hat.
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