Buch-Tipp: Dirk. C. Loew – Versuch über John Ford
»My name is John Ford. I make Westerns« – das ist wohl das berühmteste Zitat des Regisseurs. Ford soll damit eine kurze Rede während einer Versammlung der Director’s Guild of America eingeleitet haben, wo er Joseph Mankiewicz und William Wyler gegen den rechten Cecil B. DeMille verteidigte. Nun ist der oft verwendete Spruch von Ford nicht so ganz zutreffend – von den Filmen, die er seit dem Anbruch des Tonfilms bis zu seinem Tod drehte, waren nur etwa ein Drittel Western, insgesamt 13 Werke von »Stagecoach« (1939) bis zu »Cheyenne Autumn« (1964), seinem vorletzten Film. Aber keinen anderen Regisseur identifiziert man so mit diesem Genre wie John Ford, vielleicht, weil er wie kein anderer ein mythopoetisches Universum geschaffen hat, gerade in seinen Kavalleriewestern, und ein Nationbuilding, die einige seiner Filme selbst wie Americana erscheinen lassen. Nicht umsonst endet sein Meisterwerk »She Wore a Yellow Ribbon« (1949) mit den Worten des Erzählers über die Kavallerie: »Wherever they rode – and whatever they fought for – that place became the United States.«
Dirk C. Loew hat seinen 2005 zuerst erschienenen »Versuch über John Ford« (seine überarbeitete Dissertation) neu aufgelegt, die seitdem erschienene Literatur erfasst und die Terminologie unseren Zeiten angepasst. Noch immer ist Loews Arbeit ein Schlüsselwerk zu den Western von Ford (viel Literatur ist in den letzten zwei Jahrzehnten ja auch nicht erschienen). Loew hat die sogenannten »John-Ford-Papers« einsehen können, Dokumente und Unterlagen aus Fords Nachlass, die in der Lilly Library der Indiana University in Bloomington lagern. In dem klar gegliederten Buch – nach einer Einführung geht es von Film zu Film vor – finden sich denn auch immer Kapitel zur Produktions-geschichte der Filme, mit Nennungen von Honoraren, Drehorten und Drehdauer. Aufschlussreich sind auch Loews Recherchen zur von Ford und Merian C. Cooper schon vor dem Zweiten Weltkrieg gegründeten Firma Argosy, mit der nach dem Krieg etwa »Rio Grande« und »She Wore a Yellow Ribbon« produziert wurden, ein Versuch auch des Auteurs Ford, sich ein Stück künstlerischer Freiheit jenseits der großen Studios zu erobern. Und die Sichtung im Nachlass fördert etwa zutage, dass das emblematische Ende von The Searchers – Ethan Edwards bleibt einsam draußen, als die Tür sich schließt – nicht im Drehbuch stand.
Loews Buch ist keine Biografie, Details zum Leben des Regisseurs, den Maureen O’Hara immer nur »The Ol’ Man« nannte, fließen nur sporadisch ein, genausowenig gibt es Szenen- oder Werkfotos. Loew stellt den Stand gerade der anglo-amerikanischen Forschung vor, fasst Interpretationen zusammen und bezieht die Zeitgeschichte mit ein. In »Rio Grande« (1950) erhält Lieutenant Colonel Kirby Yorke (John Wayne) den illegalen Befehl, den auf den Kriegspfad befindlichen Apachen nachzusetzen, die sich immer wieder über den Rio Grande nach Mexiko zurückziehen. Loew – wie andere Interpreten auch – zieht hier eine politische Parallele zum US-amerikanischen Engagement während des Koreakriegs. Rio Grande kam fünf Monate nach der US-amerikanischen Intervention unter Douglas MacArthur in die Kinos.
Loew konstatiert auch in Fords Western einen stetig wachsenden Pessimismus. Ist die Kavallerie in »She Wore a Yellow Ribbon« (1949), die der Autor zur ersten Kavallerietrilogie rechnet (mit »Fort Apache« und »Rio Grande«), eine Art Ersatzfamilie, ein Modell für die Gemeinschaft an der Grenze zur Wildnis, so demontiert Ford diese Institution in späteren Filmen immer mehr. In »The Searchers« übernimmt eine Bürgermiliz ihre Aufgaben, die »Texas Rangers«, in »Cheyenne Autumn« ist sie, so Loew, »eine Truppe ohne wahren Auftrag, ohne Ideale, ohne Führung, ohne Kompetenz, ohne Moral: Sie ist ohne jegliche Werte.«
Dirk C. Loew: Versuch über John Ford. Die Westernfilme 1939–1964. BoD, Norderstedt 2022. 472 S., 34,50 €.
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