Netflix: »RRR«
Drei Stunden lang, der teuerste Film, den »Tollywood«, das südindische, telugusprachige Pendant zu Bollywood, je gedreht hat, einer der größten Box-Office-Hits in Indien und einer der meistgeschauten nichtenglischsprachigen Filme auf Netflix: So ziemlich alles an »RRR« scheint epische Ausmaße anzunehmen – bis auf den Titel, selbst wenn man ihn mit »Rise, Roar, Revolt« ausschreibt. In einer anderen Auslegung sind darin die Namen der zwei Hauptdarsteller (Rama Rao und Ram Charan) und des Regisseurs S. S. Rajamouli chiffriert. Aber spätestens ab dem Moment, wo Rama Rao als Revolutionär Komaram Bheem einem Tiger ins Maul schaut und zurückbrüllt, schert das bestimmt keinen mehr. Atemberaubende Action zu Luft, zu Wasser und im Feuer, getragen von romantischer Männerfreundschaft und begleitet von kommentierenden Balladen – da kann kein Tom-Cruise-Film mithalten.
»RRR« ist ein Fantasyfilm mit Superhelden der etwas anderen Art: Komaram Bheem und der von Ram Charan verkörperte Alluri Sitarama Raju sind wichtige Figuren des antikolonialen Widerstands der indischen Geschichte. Dass sie sich je begegnet wären und dicke Freunde wurden, wie Rajamouli das in »RRR« vorführt, ist pure Fantasie. Aber wenn schon Fantasie, warum dann nicht in die Vollen gehen und aus ihnen echte Supermänner machen? Rajamouli jedenfalls lässt sich von keinem historisch-kritischen Kommentar zurückhalten. Und so springen in »RRR« die beiden Helden von Brücken und Palästen, bezwingen Tiger, Hirsche und Schlangen, überwinden jeden Schmerz und widerstehen ganzen Hundertschaften von fiesen, hässlichen Briten. Damit nicht genug, zeigen sie in einer längst viral gegangenen Sequenz, dass indische Männer auch im Tanzen den fahlgesichtigen, steifen Westlern weit überlegen sind. Die besseren Männerfreunde sind sie sowieso, selbst wenn sie sich zwischendurch als Feinde gegenüberstehen.
Die Handlung ist im kolonialen Indien der 1920er angesetzt. Die sadistische Frau des britischen Gouverneurs (mit nur einer Ausnahme sind konsequent alle Briten als brutale, überzeugte Rassisten dargestellt) lässt ein junges Mädchen entführen. Bheem, der zu ihrem Stamm gehört, macht sich nach Delhi auf, um sie zurückzuholen. Dort begegnet er, gerade als er einen weiteren unschuldigen Jungen vor dem Feuertod retten will, besagtem Raju. Es kommt zu einer »Bromance«, der kein Pathos je peinlich ist. Auch nicht, als sich herausstellt, dass Raju beim Feind in Diensten steht.
Das mag alles nach zu viel und zu speziell indisch klingen, aber die Netflix-Zahlen sprechen für sich. Mit einer emotionsgeladenen Story, die über drei Stunden trägt, und einer visuellen Opulenz, in der majestätische Tiger in Zeitlupe durch die Luft fliegen, während im Hintergrund mal Feuer, mal Wasser explodiert, besitzt »RRR« jene pure Kino-Schaulust-Energie, die selbst noch im Streaming wirkt. Wie toll aber wäre dafür eine große Leinwand!
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