DVD-Tipp: »Lamb«

Kreist »The Innocents« um geheime Verständigung unter Kindern, so geht es in »Lamb« um artenübergreifende Kommunikation. Die Blicke der Schafe, die hier auf die Menschen gerichtet sind, wirken seltsam wissend, und auf andere Weise als der Norweger Eskil Vogt erschafft auch der Isländer Valdimar Jóhannsson eine eigenartige Atmosphäre, die mit Horrorelementen versetzt und bei ihm von Kinderalpträumen und isländischen Mythen und Sagen gespeist ist. Das nebelverhangene und verschneite Land, das die Kamera von Eli Arenson in langen ruhigen Fahrten einfängt, wird dabei zum weiteren Spieler.

Auf einem einsam in der rauen Schönheit des Landes gelegenen Bauernhof empfängt ein kinderloses Paar an Weihnachten im Stall ein seltsames Wesen. In stillem Einverständnis der Blicke – wie in »The Innocents« wird auch hier nicht viel geredet – nehmen Maria (Noomi Rapace) und Ingvar (Hilmir Snær Guðnason) das Neugeborene bei sich auf, versorgen es liebevoll wie ein Kind, und es dauert eine ganze Weile, bis man sieht, was sie so verstört oder besser verwundert hat: Das Wesen, das sie Ada nennen, hat den Körper eines kleinen Menschen und den Kopf und Vorderarm eines Schafes. Nur gegen das Mutterschaf müssen sie ihre fragile Familienidylle verteidigen, vorwurfsvoll blökend steht es vor den Fenstern des Wohnhauses, und irgendwann kommt auch der Vater ins Spiel. Die beiden leben so einsam, dass sie mit den gesellschaftlichen Regeln nicht anecken, zumindest nicht bis Ingvars Bruder zu Besuch kommt.

Schon in den beiden Kurzfilmen »Harmsaga« und »Dawn«, die im Bonusmaterial des Mediabooks enthalten sind, hat Jóhannsson düster tödliche Familiendramen entfaltet. Im Booklet schlüsselt die Germanistin Robyn Kerkhof Motive und Bezüge auf, wie die animalisch menschlichen Zwitterwesen, die durch isländische Volksmärchen geistern. Storyboardzeichnungen und Entwurfsskizzen sowie eine längere Featurette über die Erschaffung des Hybridwesens runden die liebevolle Präsentation des Films ab.

VÖ: 28. April 2022

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