Disney+: »Fire Island«
Statt es den Eingeweihten zu überlassen, plaudert »Fire Island« sein Herkunftsgeheimnis gleich am Anfang aus. Jane Austen wird da zitiert, und zwar der wohl berühmteste ihrer Romananfänge: »It is a truth universally acknowledged, that a single man in possession of a good fortune, must be in want of a wife«. Zwar tut Erzähler Noah (Joel Kim Booster) das auch gleich schon als heteronormative Ode an die Monogamie ab, aber die Austen-Verehrer sind auf die Spur gesetzt: Wie wird der Film, der seinen Titel von der schwulen Partyinsel bei New York nimmt und ins Zentrum einen Freundeskreis junger homosexueller Männer setzt, wohl das Erzählmuster von »Stolz und Vorurteil« in sein anti-heteronormatives Setting übertragen?
Auf den ersten Blick sieht alles ganz anders aus: Im Mittelpunkt der Handlung stehen Noah und sein bester Freund Howie (Bowen Yang). Letzteren hat es ins Silicon Valley verschlagen, aber jeden Sommer kehrt er zurück, um mit seinen Freunden zwei Wochen auf Fire Island Party zu machen. Zusammen mit Luke (Matt Rogers), Keegan (Tomas Matos) und Max (Torian Miller) bilden sie ein Fünferkleeblatt, das im Ferienhäuschen ihrer älteren lesbischen Freundin Erin (Margaret Cho) unterkommt.
Auf dem Weg dahin bringen sich die Freunde auf den neuesten Stand, und weil Romantiker Howie sein sex- und liebeloses Leben beklagt, erklärt es Noah zu seiner Mission, Howie zu einem attraktiven One-Night-Stand zu verhelfen. Er will selbst auf jeden Flirt verzichten, solange das nicht bewerkstelligt ist. Als sie am gleichen Abend bei einer Party auf Charlie (James Scully) stoßen, glauben sie sich schon am Ziel. Der junge Arzt scheint alles mitzubringen, wonach es Howie verlangt, vor allem die Bereitschaft, über seine, Howies, Witze zu lachen. Wäre da nicht Charlies missgelaunter Freund Will (Conrad Ricamora), es könnte der Beginn einer großartigen Freundschaft, wenn nicht Liebe sein. Aber Will wirft nicht nur herablassend-eisige Blicke auf die ganze Fünferclique, durch Zufall hört ihn Noah einen besonders abfälligen Satz über sich und Howie sagen. Fortan ist sein Stolz so verletzt, dass er die Romanze zu torpedieren versucht.
Das Schöne ist, dass es da schon ganz egal ist, ob man nun jedem der fünf Freunde die entsprechende Bennet-Schwestern-Rolle zuweisen kann oder in Will den Mr.-Darcy-Typ wiedererkennt oder nicht. Als schwule Romcom hat »Fire Island« genug Tempo, Sprachwitz und erotische Verwicklungen, um ganz für sich zu stehen. Besonders prägnant sind dabei die Beobachtungen zu den offenen und verdeckten Vorurteilen dieser schönen schwulen Partywelt. »No fatties, no femmes, and no Asians«, wird etwa eine leider nicht unübliche Datingansage zitiert, die für Howie und Noah gleichermaßen verletzend ist. Von zwei älteren Männern werden die fünf an einer Stelle mit hofierendem »Hallooo!« begrüßt, aber als sie selbst eine Gruppe von besser trainierten jungen Männern laut grüßen, kommt von denen ein trockenes »Nein, danke!« zurück. Treffender hätte das Jane Austen kaum schildern können.
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