Film des Monats November »Die Erbinnnen«
Chela und Chiquita leben im paraguyanischen Asunción und sind seit Jahrzehnten ein Paar – eine Tatsache, die sie immer noch vor ihren Freundinnen zu verbergen suchen. Die beiden kommen aus der Oberschicht, gearbeitet haben sie nie. Wohlhabend sind sie allerdings nicht – gerade verkaufen sie das Inventar der alten Familienvilla, Stücke, an denen vor allem für Chela Erinnerungen haften. Die Beziehung der Frauen folgt einem klassischen Muster. Chiquita ist dominant, gibt sich tough und weiß stets, was zu tun ist. Chela dagegen kämpft mit einer Depression: Sie findet morgens kaum aus dem Bett und verbringt die Tage eher meditierend als malend vor einer kleinen Staffelei. Als die schwer verschuldete Chiquita in Untersuchungshaft muss, kommt Bewegung in die erstarrte Partnerschaft. Obwohl sie keinen Führerschein hat, lässt Chela sich überreden, ihre Freundinnen gegen Geld durch die Stadt zu kutschieren. Allmählich gewinnt sie an Selbstvertrauen. Und damit erwacht etwas anderes wieder: erotisches Begehren.
Im letzten Jahr, mit Filmen wie »Call Me by Your Name« oder der Studioproduktion »Love, Simon«, hat der homosexuelle Mann im Kino-Mainstream Anker geworfen. Lesben, schon gar, wenn sie aufs Rentenalter zugehen, sind im Publikumsfilm nach wie vor kaum sichtbar. Das Drama Die Erbinnen von Marcelo Martinessi, annonciert sein »ungewöhnliches« Sujet allerdings nicht. Eher hintergründig, nah an den Gesichtern und Körpern der großartigen Hauptdarstellerinnen entfaltet der Film die Beziehung zweier Frauen, die nicht nur von altem Mobiliar umgeben, sondern in jeder Hinsicht in ererbten Strukturen gefangen sind – in sexuellen und sozialen Konventionen, in ökonomischen Zwängen. Und Männer müssen in Martinessis Film gar nicht anwesend sein, um Druck auf das Netzwerk auszuüben, das Bekannte, Verwandte und Freundinnen im Hintergrund der Haupthandlung spinnen. Sozialpsychologisch genau und empathisch im Detail ist Die Erbinnen das geglückte Beispiel eines modernen, realistischen Frauenfilms.
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