Serien-Tipp: »Marseille«
Nach so erfolgreichen und sehenswerten Eigenproduktionen wie »House of Cards« oder »Orange Is the New Black« investierte Netflix mit Marseille erstmals in eine fremdsprachige, europäische Produktion. Dabei steht »Marseille« für einen Schmelztigel aus Einwanderern und Emporkömmlingen, machtgierigen Politikern und Mäzenen aus der Halbwelt. Erzählt wird die Geschichte einer großen Fehde mit allen Ingredienzien einer Hochglanz-Soap. Da sind der bullige Bürgermeister Robert Taro, der seit 20 Jahren an der Macht ist, und sein politischer Ziehsohn Lucas Barrès, der ihn beerben soll, sich aber plötzlich gegen seinen Mentor stellt. Bei einer wichtigen Entscheidung um ein städtisches Kasino stimmt Lucas Barrès überraschend dagegen. Das sei Verrat, wettert Robert Taro.
Und schon wird die Bühne eröffnet für ein schmutziges Spiel, das weniger Politthriller als Familiendrama ist und sich so durchaus von der anderen Netflix-Serie »House of Cards« absetzt. Dem amerikanischen Streamingdienst ist es mit dieser französischen Serie gelungen, nicht nur den größten französischen Star Gérard Depardieu für die Hauptrolle zu gewinnen, sondern auch Benoît Magimel. Der hat bisher in seiner Karriere geschickt zwischen Filmen von Claude Chabrol und Michael Haneke, aber auch dem Actionkino gewechselt. Als Showrunner verpflichtete man den Kinoregisseur Florent-Emilio Siri, der auch schon in Hollywood »Hostage« mit Bruce Willis drehte.
»Marseille« wurde von der französischen Kritik als »désastre« gebrandmarkt. Und zu den Schwächen der achtteiligen Serie gehören mitunter peinliche Dialoge, sehr klischeehafte Nebenfiguren und die vielen unoriginell inszenierten Sexszenen. Dennoch lässt sich die Serie gut anschauen, wartet mit hohen Schauwerten, der Musik von Alexandre Desplat und einem Depardieu in Höchstform auf. Frankreichs größter TV-Sender TF1 hat am 12. Mai die ersten beiden Folgen ausgestrahlt – eine wunderbare Gratisreklame. Übrigens schalteten bei TF1 zu Folge 1 vier Millionen Zuschauer ein. Bei Folge 2 waren allerdings schon wieder eine Million Zuschauer abgesprungen.
Marseille Frankreich 2016 R: Thomas Giliou, Florent-Emilio Siri. Da: Gérard Depardieu, Benoît Magimel, Nadia Farès, Géraldine Peilhas. Anbieter: Netflix.
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