DVD-Tipp: »The Immigrant«
Im ersten Bild geht der Blick in die Ferne, auf die amerikanische Freiheitsstatue, gesehen von einem sich davon entfernenden Schiff. »The Immigrant« erzählt vom Amerikanischen Traum, den hier zwei Schwestern träumen, Flüchtlinge aus Polen, wo sie den Tod ihrer Eltern durch Soldaten mit ansehen mussten. Für Magda ist die Reise 1921 allerdings schon auf Ellis Island vorerst zu Ende: Ihr permanenter Husten legt den Verdacht auf Tuberkulose nahe, sie wird für sechs Monate hierbleiben müssen und – wenn sich der Verdacht bestätigt – abgeschoben werden. Doch für Ewa gibt es einen rettenden Engel: Bruno Weiss stellt sich vor als Mitglied der »Hilfsgesellschaft für Einwanderer«, er gibt ihr eine Unterkunft und Arbeit. Aber das hat seinen Preis: Er arbeitet nicht nur als Ansager in einem Tingeltangel, sondern betätigt sich für die dort auftretenden Mädchen auch als Zuhälter. Ewa widersteht seinen Versuchen, sie dafür einzuspannen, andererseits macht er ihr auch das (kostspielige) Angebot, ihre Schwester aus Ellis Island herauszuholen.
»Ist es Sünde, überleben zu wollen?«, fragt Ewa sehr viel später ihre Tante, mit deren Geld sie endlich ihre Schwester befreien will. Da hat die gläubige Katholikin, die am Sonntag in die Messe und zur Beichte geht, schon sehr viel gesündigt.
Auch mit seinem fünften Film bleibt James Gray weiter ein Unbekannter für das deutsche Kinopublikum, das nur seinen ersten (»Little Odessa«, 1994) und seinen dritten (»We own the Night – Helden der Nacht«, 2007) Film zu sehen bekam, die anderen beiden debütierten nach Festivalaufführungen im Heimkino, genau wie jetzt »The Immigrant«.
Nach vielen Männerbeziehungen steht diesmal eine Frau im Mittelpunkt von Grays Film, intensiv dargestellt von Marion Cotillard. Aber auch die Figur des Bruno Weiss ist von zentraler Bedeutung – Joaquin Phoenix, ein Gray-regular, verkörpert ihn als eine weitere seiner ambivalenten, gebrochenen Figuren. Grays in sepiagetönten Bildern gehaltener Film ist ebenso klassisch wie verhalten in seiner Inszenierung, ein großes amerikanisches Epos als Kammerspiel, auf dessen bedächtigen Rhythmus man sich einlassen muss.
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