Nahaufnahme von Saoirse Ronan
Saoirse Ronan in »Lady Bird« (2017). © Universal Pictures
Mit dreizehn hat sie angefangen, als kleine Intrigantin in »Abbitte«. Jetzt, mit 24, schließt Saoirse Ronan bereits ihr »Frühwerk« ab. In Greta Gerwigs kluger Komödie »Lady Bird« spielt sie eine trotzige junge Frau auf dem Sprung in die Selbstständigkeit – dafür bekam sie ihre dritte Oscarnominierung
Eine Ausnahmeerscheinung: gleich für den Oscar nominiert, von Regisseuren wie Peter Jackson, Joe Wright und Peter Weir gecastet, brillant in unterschiedlichsten Rollen. Trotzdem galt sie nie als Kinderstar und schon gar nicht als Girlie. Dafür war Saoirse Ronan immer schon zu stark: ein dunkler, frühreifer Engel, der in tiefe Abgründe schaut und sich dann mit erstaunlicher Physis den Rückweg freikämpft.
Nur wenig in der an Brüchen und Facetten nicht gerade armen Karriere der inzwischen 24-jährigen Irin hat uns auf »Lady Bird« vorbereitet, Greta Gerwigs meisterhafte Coming-of-Age-Komödie, für die Ronan unlängst ihre nun schon dritte Oscarnominierung erhielt. Mit den strähnigen, rot gefärbten Haaren, hängenden Schultern und genervtem Ihr-versteht-mich-alle-nicht-Blick ist sie kaum wiederzuerkennen. Und war sie in ihrem bisherigen Werk praktisch auf Extremsituationen abonniert, so dreht sich dieses Mal alles um Allerweltsprobleme. Lady Bird ist eine junge, nicht weiter ungewöhnliche Frau an der Schwelle zum Erwachsenwerden, ein wütender Trotzkopf im Clinch mit Gott und der Welt, vor allem aber mit der ebenso fürsorglichen wie drakonischen Frau Mama. Und sie ist eine romantische Träumerin, für die nicht gleich alles zusammenbricht, nur weil sich das mit der Liebe als irgendwie kompliziert herausstellt.
Saoirse (gesprochen: »Sörscha«) Ronan macht mit dieser Rolle, was sie mit all ihren Rollen macht: Sie geht unmerklich darin auf, spielt intensiv von innen heraus, ohne Mätzchen oder Allüren. Ryan Gosling, der sein Regiedebüt »Lost River« mit ihr drehte, nannte sie »die wiedergeborene Meryl Streep«. Da mag eine gewisse Portion PR-Talk mit im Spiel gewesen sein, aber der Vergleich ist nicht so abwegig. Trotz ihrer Jugend (sie ist immer noch jünger als Streep am Beginn ihrer Filmkarriere) hat Ronan ihre Projekte stets klug ausgewählt, eine große Bandbreite starker, komplexer, ernsthafter Figuren gespielt und genau wie Streep darauf verzichtet, eindimensionale, »typische« Rollen anzunehmen. Da ist fraglos eine große Schauspielerin am Werk, nicht bloß eine adrette Präsenzdarstellerin.
Es sei unheimlich, wie leidenschaftlich sie agiere, hat Neil Jordan über Ronan gesagt, nachdem er sie in seinem Vampirfilm »Byzantium« inszeniert hatte. »Von manchen Schauspielern heißt es, sie seien Naturtalente. Bei Saoirse fühlt es sich schon fast unnatürlich an.«
Ihr wichtigstes Werkzeug: die großen wasserblauen Augen. Die können neugierig und empathisch auf die Welt blicken, aber auch eisig und durchdringend starren. Manchmal scheint es, als spiele Ronan nur mit diesen Augen, als seien Mimik und Gestik nicht notwendig, um Emotionen oder Gedanken zu transportieren. So entsteht ein reduzierter, konzentrierter Ausdruck, der ihr etwas Erhabenes und Bestimmtes verleiht. In Wes Andersons skurriler Komödie »Grand Budapest Hotel« schwärmt Ralph Fiennes von dieser »Reinheit«. Ronan hat als junge Bäckerin zwar nur wenige Auftritte, avanciert mit ihrer unprätentiösen Geradlinigkeit aber zum wichtigsten Storykatalysator: Erst verliebt sich einer der beiden Protagonisten unsterblich in sie, dann sorgt sie mit ihrem Mut und ihrer Unbestechlichkeit für das aberwitzige Happy End.
Integer und aufrichtig, aber auch schüchtern und naiv ist sie immer wieder. Ihre Paraderolle in dieser Hinsicht ist zweifellos die junge Eilis Lacey in »Brooklyn – Eine Liebe zwischen zwei Welten« von John Crowley. Darin exerziert sie tapfer ein irisches Emigrantenschicksal durch, das starke Parallelen zu ihrer eigenen Familiengeschichte aufweist (sie wurde 1994 als Tochter irischer Eltern in New York City geboren, wuchs in Irland auf), und findet dabei erst allmählich zu innerer Klarheit. In Peter Jacksons »In meinem Himmel« wird ihr die eigene Naivität zum Verhängnis: Da geht sie einem psychopathischen Mörder in die Falle und begleitet das Geschehen fortan als Beobachterin aus einer Zwischenwelt.
Dieser Part passioniert das kluge, introvertierte Mädchen ähnlich wie das Schreiben. In »Byzantium« vertraut sie einem Notizblock ihre geheime Vita an und wirft die Schnipsel anschließend aus dem Fenster, als lade sie die Welt ein, sie doch bitte zu entdecken. Noch mehr erzählerische Kontrolle besitzt sie als 13-Jährige in »Abbitte«, ihrem ersten großen Auftritt. In Joe Wrights hübsch verschachtelter Metatragödie zieht sie als Keira Knightleys jüngere Schwester gleich mehrfach die Fäden, zerstört mit bösem Intrigenspiel eine Liebesbeziehung. Zum Fürchten gut ist Ronan in dieser ambivalenten Rolle, und schon da wird deutlich, dass hinter der edel-braven Fassade noch ganz andere Kräfte schlummern.
Tatsächlich beziehen viele von Ronans Filmen ihren besonderen Reiz aus dem Spannungsverhältnis zwischen zartem Äußeren und innerer Härte: Schon früh entwickelte sich die junge Aktrice zu einer regelrechten Action-Heroine: als skrupellose Killerin und perfekte Manipulateurin in Geoffrey Fletchers ansonsten wenig bemerkenswerter Tarantino-Variation »Violet & Daisy«, als genetisches Sondermodell in Wrights furiosem Actionmärchen »Wer ist Hanna?« und als taffe Rebellin in Andrew Niccols kühlem Sci-Fi-Thriller »Seelen«, in dem sich ihr unnachgiebiger Geist gegen eine unfreundliche Alien-Übernahme wehrt und dem Eindringling einen zähen, schizophrenen Fight liefert.
Und nun also der kluge, vielschichtige »Lady Bird«, vermutlich so etwas wie der Abschluss von Ronans Frühwerk. Wie in »Brooklyn« geht es um komplizierte Heimatgefühle, komplexe Mutter-Tochter-Geschichten und den beschwerlichen Übergang in die erwachsene Welt. Doch damit jetzt genug: Es warten die reiferen Rollen, ein britisches Drama nach Ian McEwan, eine Neuverfilmung von Tschechows »Möwe«, dann »Maria Stuart – Königin von Schottland«. Und früher oder später, sagt Ronan, will sie auch Regie führen. Das hat Meryl Streep nie gemacht.
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