Nahaufnahme von Jason Schwartzman
Wes Anderson, Jason Schwartzman, Tom Hanks am Set von »Asteroid City« (2023). © Roger Do Minh/Pop. 87 Productions/Focus Features
Seine Spezialität sind Kultfilme mit Hipster-Appeal. Wie die von Wes Anderson, der Jason Schwartzman als Teenager in »Rushmore« groß herausbrachte. Auch in Andersons neuem Film »Asteroid City«, der in Cannes Premiere hatte, ist Schwartzman mit von der Partie
Als Schlagzeuger wird einem nicht viel Aufmerksamkeit gewidmet«, sagt Jason Schwartzman über die Vorgeschichte zu seiner ersten Filmrolle. Deshalb fühlte er, damals Drummer der aufstrebenden Rockband Phantom Planet, sich durchaus geschmeichelt, als ihn während einer Party eine Casting-Agentin dazu drängte, an einer Audition für den Film »Rushmore« (1998) teilzunehmen. Doch der exzentrische Siebzehnjährige, in dandyhafter Aufmachung mit Smoking und Schwalbenschwanz auf der Party erschienen, fiel der Talentsucherin nicht grundlos ins Auge. Denn tatsächlich engagierte Wes Anderson den Teenager, der keinerlei schauspielerische Erfahrung hatte, vom Fleck weg als Hauptdarsteller seiner Offbeat-Komödie. Als Max Fischer, umtriebiger Stipendiat einer Privatschule, verkörpert Schwartzman einen einzigartig merkwürdigen Charakter. Der fünfzehnjährige Überflieger engagiert sich vom Fecht- über den Debattier- bis zum Theaterclub in allen schulischen Vereinen, schreibt aber schlechte Noten. Als er sich in eine Lehrerin verliebt und sich ausgerechnet sein Mentor als sein Rivale entpuppt, dreht er durch. Energiegeladen, impertinent und zugleich ein sensibles Künstlergemüt: Dass man mit diesem frühreifen Knilch trotz seiner Hochstapelei und seines Stalker-Verhaltens sympathisiert, ist allein Schwartzmans Verdienst. Dank ihm – und Bill Murray als verknautschtem Firmenbesitzer – gilt »Rushmore« (1998) seither als einer der besten unbekannten Filme. In Deutschland fand die vertrackte Komödie erst zwei Jahre nach ihrem US-Start ins Kino.
Nicht alle Filme, in denen Jason Schwartzman mitgewirkt hat, zählen zu den Geheimtipps der »Happy Few«. Doch erstaunlich viele werden vorrangig von Filmkritikern und von einem fortgeschrittenen Indiepublikum goutiert. Dazu gehört etwa »I Heart Huckabees« (2004, David O. Russell), eine herrlich verrückte Komödie, deren Problemspektrum – Umweltaktionismus, Konzerne mit Ökoanstrich, Rad vs. Auto, Sexismus, Männlichkeitskrise – geradezu prophetisch wirkt. Schwartzman spielt, quasi eine Verlängerung seiner Rushmore-Rolle, einen dichtenden Umweltaktivisten voller Wut und Weltschmerz, der zwei existenzialistische Detektive damit beauftragt, seiner Krise auf die Spur zu kommen. Der starbesetzte Film – unter anderen spielt Isabelle Huppert eine nihilistische Philosophin, die den Antihelden umstandslos vernascht – begeisterte Kritiker, war aber für das große Publikum zu überkandidelt. Ähnlich erging es »Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt« (2010, Edgar Wright), einer Comicverfilmung mit Computerspielästhetik, in der er in der Rolle eines sardonischen Musikmanagers als Nemesis des Helden fungiert. Die surreale Komödie über Twenty-Somethings im popkulturellen Leerlauf war ihrer Zeit weit voraus, fand jedoch eine ergebene kleine Fangemeinde. Zurzeit wird der Stoff als Netflix-Anime und mit den Stimmen der Originalbesetzung wiederaufbereitet.
Daneben wird Jason Schwartzman in den kommenden Monaten in weiteren sechs Filmen mitwirken, was den 43-Jährigen, bisher weitgehend unter dem Radar geblieben, fast als Star erscheinen lässt. Seine Schauspielkarriere folgt seit jeher zwei miteinander verschlungenen roten Linien. Seit »Rushmore« gehört er zum Clan von Regisseur Wes Anderson, und die kommende Komödie »Asteroid City« ist die achte gemeinsame Zusammenarbeit. Daneben ist Schwartzman häufig in den Filmen seiner eigenen Familie zu Gast. Denn als Sohn der Schauspielerin Talia Shire, geborene Coppola – bekannt durch den »Paten« und die »Rocky«-Filme –, und des Produzenten Jack Schwartzman, der etwa den Bondfilm »Sag niemals nie« mitverantwortete, ist er Teil einer der wohl einflussreichsten Hollywood-Dynastien. Zu seinen nächsten Verwandten zählen Sofia Coppola, Nicolas Cage und natürlich Francis Ford Coppola, in dessen neuem Film »Megalopolis« Jason Schwartzman mit seiner Mutter auftreten wird. Und es war Sofia, die ihn auf jener zu Ehren seines Großvaters, des Komponisten Carmine Coppola, ausgerichteten Party der Casting-Agentin vorstellte.
Man kann aber davon ausgehen, dass ihr Cousin auch ohne familiäre Nachhilfe über kurz oder lang beim Film gelandet wäre. Denn ins Kameralicht gerückt, entwickelt Schwartzman eine schwer fassbare, irritierende Präsenz. Ziemlich klein und mit großem Kopf ähnelt er mit seinen stechenden Augen, schwarzen Augenbrauen und dichtem Haarschopf dem jungen Al Pacino. Wes Anderson wiederum erinnerte der Teenager an Dustin Hoffman in »Die Reifeprüfung«. Doch das Pokerface, das Schwartzman in »Rushmore« meist aufsetzt, hat etwas Chaplineskes. Max ist ein tragikomischer und ziemlich übergriffiger Clown. Als melancholischer Clown fungiert er auch in Sofia Coppolas Kostümdrama »Marie Antoinette« (2006), in dem er Ludwig XVI. als schüchternen Sonderling porträtiert. Nur über sein nerdiges Hobby – das Schlüsselmachen – kann der kindliche König zum Beischlaf mit seiner Angetrauten bewegt werden.
Zwar verkörpert Schwartzman in vielen Filmen und Serien, etwa in »Bored to Death oder der kultigen Teeniekomödie »Slackers« (beide nicht in Deutschland gestartet), weiterhin die in »Rushmore« angelegte Rolle des manischen Unruhestifters. Seine spezielle Wirkung entfaltet er aber in den anderen Filmen des Anderson-Universums. In Andersons symmetrischen Bildkompositionen, die auch farblich an Postkarten aus den Sechzigern erinnern, wirkt Schwartzman mit starrer Miene und formellem Kostüm oft wie eine Spielzeugfigur. Der Regisseur steckt seinen Seelenverwandten gern in akkurate Retro-Uniformen, etwa als Portier in »Grand Budapest Hotel« oder in »Moonrise Kingdom« als Pfadfinder-Fähnleinführer. Die ironische Distanz, die in dieser emblematischen Inszenierung des Schauspielers zum Ausdruck kommt, könnte nicht weiter entfernt sein vom theatralischen Method Acting etwa eines Al Pacino. Man kann sich Schwartzman weder als Shakespeare-Mimen noch als Actionhelden vorstellen.
Ist er überhaupt ein klassischer Schauspieler? Oder vielmehr ein cooler Künstlertyp, dessen Talent einzig darin besteht, auf der Leinwand sein Nerd-Charisma zur Geltung zu bringen? Nicht ohne Grund wird er in einigen Kurzbiografien zuerst als Musiker bezeichnet. Nachdem er 2003 bei der Band Phantom Planet ausgestiegen war, trat er im Soloprojekt Coconut Records weiterhin als Musiker auf und komponiert oft den Soundtrack seiner Filme. Als Drehbuchautor und Produzent, etwa der Serie »Mozart in the Jungle«, in der er außerdem als ein von klassischer Musik begeisterter Podcaster auftritt, tat er sich hervor. Als Co-Autor von Andersons Indien-Fantasie »Darjeeling Limited« schrieb sich Schwartzman den Part des neurotischen Schriftstellers Jack Whitman auf den Leib.
Auch im wahren Leben wirkt Schwartzman, soweit sich das anhand von Interviews und Talkshow-Auftritten beurteilen lässt, wie Wes Andersons Hipsterwelt entsprungen. Die Nonchalance, mit der er bekennt, weder »Die Simpsons« noch »Game of Thrones« je gesehen zu haben, die Selbstverständlichkeit, mit der er den Riesenschnauzer samt Koteletten aus »Darjeeling Limited« trägt, verraten einen Menschen, der es sich schon qua Herkunft leisten kann, gegen den Strom zu schwimmen. Wie auch immer: Filme, in denen Schwartzman auf der Besetzungsliste steht, tragen stets das Versprechen in sich, etwas Besonderes zu sein.
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