Nahaufnahme von Eva Green
»Proxima – Die Astronautin« (2019). © Koch Films
In »Proxima« ist Eva Green als Astronautin und Mutter zu sehen. Das ist fast schon ein konventionellerer Part in ihrer Filmografie, die von Bertoluccis Metafilm »Die Träumer« bis zu Fantasy und Horror reicht
Was für ein Auftritt. Gleich die erste große Filmszene Eva Greens ist unvergesslich. Wie sie vor dem Metallgitter steht, das den Zugang zur Cinémathèque française versperrt – mit ihrem schwarzen Haar, das ihre hellen Züge so perfekt rahmt, und dem leuchtend roten Barett, das ihr eine verwegene Eleganz verleiht, die Hände scheinbar mit einer Eisenkette ans Gitter gefesselt, raubt sie nicht nur dem US-amerikanischen Studenten Matthew den Atem. Es ist ein symbolisch ungeheuer aufgeladenes, ein zutiefst doppeldeutiges Bild, in dem nichts genau so ist, wie es scheint. Die junge Isabelle, die vor den Toren des Kinos steht, und was ist Henri Langlois' Cinémathèque anderes als das Kino schlechthin, ist gebunden an diesen Sehnsuchtsort und lässt zugleich niemanden ein. Auf der einen Seite ist sie ganz Fleisch und Blut, eine Verkörperung jenes Lebens, vor dem der Cinephile Matthew ins Dunkel der Kinosäle geflüchtet ist. Auf der anderen bleibt sie selbst eine Projektion, die nicht nur der junge Amerikaner in Paris mit seinen von Filmbildern geprägten Vorstellungen füllen wird.
Ganz von fern erinnert diese grandiose Einstellung aus Bernardo Bertoluccis »Die Träumer« an Sandro Botticellis Gemälde »Die Geburt der Venus«. Nur entsteigt Bertoluccis Venus des Kinos keiner Muschel. Sie schwebt auf früheren Filmbildern daher. Eine Göttin des Zelluloids. Einen eindrucksvolleren ersten Auftritt kann sich eine junge Schauspielerin kaum wünschen. Aber er ist auch eine Art von Bürde. Es überrascht nicht, dass Eva Green nur ein paar Jahre später eine Rolle in Brian De Palmas »Black Dahlia« abgelehnt hat. So wollte die 1980 in Paris geborene Tochter der französischen Schauspielerin und Autorin Marlène Jobert der Falle des type casting entgehen. Sie wollte nicht für immer die Femme fatale sein. Eine Rolle, die sie dennoch wieder und wieder verkörpert hat, allerdings meist mit einem etwas anderen Dreh.
Natürlich ist Green letztlich in der Rolle der tragischen Geliebten des seine Menschlichkeit verlierenden Agenten in »James Bond 007: Casino Royale« auch eine Femme fatale. Aber ihre Vesper Lynd, die Buchhalterin mit dem dunklen Geheimnis, passte in diesem ersten Bond-Film mit Daniel Craig nicht in das Klischee des klassischen »Bond-Girls«. Sie ist weder die unschuldige Schönheit, die von dem Agenten gerettet werden muss. Noch ist sie die austauschbare Handlangerin eines Schurken, mit der Bond erst ins Bett geht, bevor er sie dann, ohne mit der Wimper zu zucken, umbringt. Eva Green stand damals, 2006, wie Daniel Craig für eine Neuorientierung der Bond-Reihe. »Casino Royale« versprach einen anderen Blick auf den berühmtesten Spion der Filmgeschichte: düsterer, komplexer und näher an der Wirklichkeit. Genau deswegen war Green die perfekte Partnerin für Craig. Mit ihrer Schönheit hat sie dem Film, der sonst eher von Craigs bewusst bodenständigem, fast schon proletarischem Spiel geprägt wurde, einen Hauch von Noblesse verliehen. Zugleich spiegelte sich in ihrer Zerrissenheit, in ihrem ständigen Ringen mit ihren Gefühlen für Bond und in ihrer Schuld das Wesen des Agenten, der mehr als nur »ein stumpfes Instrument« seiner Vorgesetzten sein will und doch immer ein lizenzierter Killer bleiben wird. Als sie am Ende in den Fluten Venedigs versinkt, nimmt sie einen Teil von Bond mit sich, und das Wissen darum liegt in diesem dramatischen Moment in Greens weit aufgerissenen Augen.
In der langen Geschichte der Bond-Filme ist es diese eine Sterbeszene, die sich realer als jede andere anfühlt. Auf der Oberfläche ist sie reines Melodrama. James Bond, der sich gerade erst dafür entschieden hat, aus dem Spionagegeschäft auszusteigen, verliert mit seiner Geliebten jede Hoffnung auf ein anderes Leben und jedes Vertrauen in die Menschen. Unterschwellig steckt in dieser Szene aber viel mehr als die Konventionen eines Genres und einer Filmreihe, die nicht enden darf. Greens Spiel erfüllt diesen Moment mit einer Dringlichkeit, die über das Melodramatische hinausgeht. Vesper Lynds Tod folgt nicht nur den Gesetzen des Filmmarktes. Er deutet auch eine tiefere Wahrheit an. In den Welten, die das Kino beschwört und das Publikum als Fluchtpunkte seine Imagination liebt, werden Frauen aufgerieben. Sie bezahlen für die Spiele der Männer mit ihrer Seele und ihrem Leben.
In dieser Szene aus »Casino Royale« deutete sich wie schon in »Die Träumer« an, was sich im Lauf der Jahre und der Filme als zentrales Merkmal von Eva Greens Spiel entpuppt hat. Sie ist nicht nur eine Grenzgängerin zwischen Hollywood und Europa, zwischen großen Blockbuster-Filmen wie Ridley Scotts »Königreich der Himmel« und dem Noam-Murros-Comic-Sequel »300: Rise of an Empire« auf der einen Seite und eigenwilligen Arthouse-Produktionen von ambitionierten Filmemacherinnen und Machern wie Lisa Langseth (»Euphoria«) und Benedek Fliegauf (»Womb«) auf der anderen. Sie löst die Grenzen zwischen diesen Filmwelten konsequent auf. Insofern liegt es geradezu auf der Hand, dass sie in den vergangenen zehn Jahren gleich in drei Filmen von Tim Burton zentrale Rollen gespielt hat.
Zunächst scheint die aus Liebe zur Furie gewordene Hexe Angelique Bouchard aus »Dark Shadows« wenig mit der fürsorglichen Beschützerinnenfigur Miss Peregrine in »Die Insel der besonderen Kinder« und der Zirkuskünstlerin Colette Marchant aus »Dumbo« zu verbinden. Doch dieser erste Eindruck täuscht. Wie Helena Bonham Carter und Johnny Depp verkörpert auch Green die Essenz von Tim Burtons Kino der wundersamen Außenseiter. Sie versteht es, reine Kinofantasien in Menschen zu verwandeln, die einem trotz comichafter Überzeichnung nahegehen. Natürlich ist die wild liebende Angelique, die mit ihrer Leidenschaft die ganze Welt zerstören könnte, eine ins Satirische gesteigerte Projektion. Aber wie schon in Vesper Lynd offenbart sich auch in ihr eine tiefere Wahrheit. Angelique ist ein Opfer männlicher Macht, das eben nicht mehr Opfer sein will. Sie will ihr Leben selbst bestimmen und setzt sich zur Wehr. Eva Green gehört übrigens zu den mehr als 80 Frauen, die im Oktober 2017 Harvey Weinstein wegen sexueller Übergriffe angeklagt haben, und damit auch zu den Begründerinnen der #MeToo-Bewegung.
In Bertoluccis »Die Träumer« hat Eva Green Szenen aus Rouben Mamoulians »Queen Christina« und Godards »Außer Atem« nachgespielt. Sie ist in die Fußstapfen Greta Garbos und Jean Sebergs getreten und hat sich so als Geschöpf des Kinos präsentiert. Dem alten Hollywood ebenso verbunden wie der Nouvelle Vague. Dieses Spiel mit den Traditionen der (Film-)Bilder hat sie seither begleitet. Den Glamour, den das Kino im goldenen Zeitalter der Traumfabrik erstrahlen ließ, hat sie mit ihrer Rolle in John Logans Serie »Penny Dreadful« auf wirklich unvergleichliche Weise in die Welt der Fernseh- und Streamingserien importiert. Das Medium Vanessa Ives, das in sich den Schlüssel zur Vernichtung der Menschheit trägt, ist ohne Frage eine der schillerndsten Figuren der jüngeren Seriengeschichte. Anders als die meisten anderen Protagonisten von Logans Hommage an die Horror- und Pulp-Geschichten des 19. Jahrhunderts kommt sie nicht aus einem anderen Roman. In ihrer Stärke und Kälte, die einen in einigen Szenen erschaudern lässt, wie in ihrer Verletzlichkeit ist Greens Vanessa Ives ganz und gar eine Figur unserer Zeit. So eine in sich gespaltene Frau hätten Bram Stoker, Oscar Wilde und Mary Shelley kaum ersinnen können. Sie und Greens differenziertes, überraschendes Spiel rücken die Monster der klassischen Schauerliteratur in ein neues Licht. Eigentlich sind alle die Gothic-Horror-Motive in »Penny Dreadful« vertraut – doch wirken sie dank Eva Green neu und unverbraucht.
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