Kritik zu Proxima – Die Astronautin

© Koch Films

Wie lässt sich die Raumfahrt mit der Familie vereinbaren? Alice Winocour erzählt den Alltag einer Astronautin

Bewertung: 4
Leserbewertung
0
Noch keine Bewertungen vorhanden

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist ein Thema, das viele umtreibt. Je höher die beruflichen Ambitionen, desto schwieriger gestaltet sich das. »Hoch« muss im Fall von Alice Winocours »Proxima – Die Astronautin« im übertragenden und im wörtlichen Sinne verstanden werden, denn, die von Sandra Hüller gespielte Psychologin und Kinderbetreuerin bringt es auf den Punkt: »Das ist nicht, als würden sie auf eine einfache Geschäftsreise gehen. Sie verlassen die Erde.«

Zurücklassen muss die einnehmend von Eva Green gespielte Heldin Sarah ihre siebenjährige Tochter Stella (Zélie Boulant). Sarah will als erste Frau auf den Mars und bereitet sich in einem ersten Schritt auf eine einjährige Mission auf der ISS vor. Davon erzählt die französische Regisseurin und Drehbuchautorin: vom Alltag und den Vorbereitungen der Astronautin und vor allem davon, was für Schwierigkeiten dieser hoch spezialisierte Job für die Familie mit sich bringt.

Winocours Film holt die gerne mythisch aufgeladene Science-Fiction auf den Boden der Tatsachen zurück. In nüchternen Bildern (Kamera: Georges Lechaptois), begleitet vom getragenen Score des japanischen Komponisten Ryuichi Sakamoto, folgen wir Sarah bei Pressekonferenzen und durch das Trainingsprogramm: sportliche Belastungstests, Unterwassersimulationen von klobigen Raumanzügen und hinein in die Zentrifuge. 

Die 9G, mit denen Sarah im Kreis katapultiert wird, erscheinen angesichts der familiären Herausforderungen fast entspannt. Wie macht man der Tochter klar, dass man für ein Jahr für einen gefährlichen beruflichen Einsatz verschwindet und sie beim Vater (angenehm zurückhaltend: Lars Eidinger), von dem sich Sarah getrennt hat, bleiben muss? »Wir sind so modern, wir schaffen das und bleiben gut gelaunt«, sagt Sarah einmal verunsichert-selbstvergewissernd.

»Proxima« inszeniert die weibliche Perspektive in einem männlich dominierten Berufsfeld. Die Verkörperung dessen ist Mike (Matt Dillon), ein nicht toxischer, aber doch in klassischen Geschlechtsbildern verankerter Besatzungschef, der Sarah zunächst mit Sprüchen belästigt. Emanzipation kostet viel Kraft, Nerven und Durchhaltevermögen. Und es braucht – hier integriert Winocour einen klassischen Science-Fiction-Topos – Träume. Schon als Kind wandelte Sarah mit dem Lampenschirm auf dem Kopf durch unentdeckte Welten, ihre Katze heißt Laika nach der Hündin, die von den Russen als erstes Lebewesen überhaupt ins All geschossen wurde.

Entstanden in Kooperation mit der ESA und gedreht an Originalschauplätzen, etwa im Europäischen Astronautenzentrum in Köln oder im russischen Kosmonauten-Trainingszentrum in Swjosdny Gorodok (deutsch: Sternenstadt), bereichert Winocour die Weltraumerzählungen um eine aktuelle Perspektive. »Proxima« ist eine Hommage an Astronautinnen, derer im Abspann gedacht wird, ein Film, der die große Geste im Kleinen findet.

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt