Nahaufnahme von Christina Hendricks
Christina Hendricks in »Lost River« (2014)
Christina Hendricks kam mit ihrer Sekretärinnenrolle in der Serie Mad Men groß heraus, die ganz große Kinorolle aber lässt noch auf sich warten. Trotz Ryan Goslings »Lost River«
Von dieser ominösen Fernsehserie über eine Werbeagentur im New York der Sechziger hielten ihre Agenten nicht viel, »keinerlei Potenzial, allein schon wegen des historischen Settings«. Geld sei damit sicher keines zu verdienen, meinten sie, und schon gar kein Ruhm. Glücklicherweise ist Christina Hendricks eine Frau, die zwar äußerlich verführerisch weich anmutet, innerlich aber mit klarem Kopf und eisernem Willen ausgestattet ist. Als sie sich dann entschied, im Männerclub der unablässig rauchenden und Whiskey trinkenden »Mad Men« mitzumachen, ließ die Agentur sie allen Ernstes fallen, was der eine oder andere dort heute wohl bereuen dürfte. Eine Sekretärin in der von Männern dominierten Werbewelt der Sechziger zu mimen, zu einer Zeit also, als Frauen nicht viel zu sagen hatten und Männer noch ungehemmt ihrem Machismo frönen konnten, ist aus moderner Sicht allerdings auch keine sonderlich dankbare Aufgabe. Aber Christina Hendricks machte daraus etwas ganz Besonderes, etwas, das Männer und Frauen gleichermaßen feiern können.
Als Joan Holloway setzt sie ganz offensiv auf weibliche Reize, ein heller Alabasterteint, der apart mit großen blauen Augen, einem üppigen roten Mund und rot gefärbten Haaren kontrastiert, dazu eine Figur, die mit Wespentaille, imposant wogendem Busen und ausladend wiegendem Becken in Opposition zu den gängigen Schönheitsidealen steht. Mit großer Lust spielt sie ihre weiblichen Reize aus, ohne deshalb zum Spielball der Männer zu werden. Sie verströmt einen Glamour, der aus den Zeiten von Marilyn Monroe, Jane Russell und Sophia Loren kommt, gepaart mit einem sehr modernen Selbstbewusstsein. Mit ihrer anfangs eher marginalen Rolle hat sie so viel Aufmerksamkeit erregt, dass Serienautor Matthew Weiner sie im Laufe der Jahre immer weiter ausbaute, so dass sie, wenn die Serie mit ihrer siebten Staffel dieser Tage abgeschlossen wird, es zur Mitbesitzerin der Agentur gebracht hat.
Aufgewachsen ist die 1975 geborene Christina Hendricks in einer amerikanischen Kleinstadt in Idaho, schon mit neun Jahren begann sie, Unsicherheit und Schulfrust auf der Bühne zu kompensieren. Als sie später als Model zu jobben begann, um aus Virginia rauszukommen, ergab eins das andere, sie zog nach New York, lebte eine Weile in London, weigerte sich abzunehmen und spielte ab 1998 in zahllosen Serien, zum Teil nur in einzelnen Folgen, unter anderem auch in »Emergency Room« und »Firefly«, ohne großes Aufsehen zu erregen. Und dann kam 2007 die Signalwirkung von »Mad Men«, ein Durchbruch, der Autoren, Regisseure und Produzenten auf sie aufmerksam machte. Doch die Kinorollen, die danach kamen, zeigen vor allem, dass vorerst niemandem etwas wirklich Originelles für sie einfällt, in »Detachment« spielte sie eine Lehrerin in einer Problemschule und betört den von Adrien Brody gespielten Aushilfslehrer mit ihrem Retro-Vamp-Appeal, und in »Der ganz normale Wahnsinn – Working Mum« ist sie eine der Over-Achiever-Mütter, die Sarah Jessica Parker die Lust an der Karriere vermiesen. In der Wirklichkeit will sie übrigens von Mutterschaft gar nichts wissen.
In »Dark Places« und »So spielt das Leben« wurde sie mit einem schnellen Tod zum Katalysator der danach folgenden Ereignisse degradiert. Tatsächlich sind es vor allem ihre Schauspielerkollegen, denen etwas zu ihr einfällt. Nachdem sie in Nicholas Winding Refns »Drive« eine mit allen Wassern gewaschene Femme fatale spielte, die Ryan Goslings Fluchtfahrer in die Falle lockt, machte der sie in seinem Regiedebüt Lost River zur alleinerziehenden Mutter, die in einem von der Welt vergessenen Kaff ums Überleben kämpft, zur Not auch in einem bizarren Club für außerordentliche Vergnügungen. Ihr »Mad Men«-Kollege John Slattery ließ sie in »God's Pocket« mit langen, fast schwarzen Haaren als Mutter eines ermordeten Jungen mit durchsichtiger Verletzlichkeit auftreten. Aber auf die wirklich große Rolle, die sie nach »Mad Men« verdient hat, wartet sie noch, vielleicht kann sie ihre Qualitäten ja bei Nicholas Winding Refn ausspielen, wenn sie demnächst in seinem »The Neon Demon« auftritt.
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