Nahaufnahme von Brie Larson

Eine von uns
Brie Larson in »Dating Queen«

Brie Larson in »Dating Queen«

Den Golden Globe hat sie eingeheimst, mit dem Oscar wurde sie für die "Beste Hauptdarstellerin" ausgezeichnet: Nach vielen Jahren in der zweiten Reihe steht Brie Larson dank »Raum« plötzlich im Rampenlicht

Wer ist Brie Larson? Für die US-Branchenblätter eine klare Sache: die neue Jennifer Lawrence! Und tatsächlich – in karrieretechnischer Hinsicht gibt es durchaus Parallelen. Beide heimsten ihre erste Oscarnominierung für eher bedrückende Independentfilme ein, die zwar in der Filmszene für Furore sorgten, nicht aber an den Kinokassen; Lawrence für »Winter’s Bone«, Larson aktuell für »Raum«. Beiden gelang bisher recht mühelos der Spagat zwischen Arthouse und Mainstream. Und beide schafften schließlich den Sprung ins Blockbuster-Business: Lawrence als rebellische Heroine in der »Tribute von Panem«-Reihe, Larson wird als »weiße Frau« im nächsten King-Kong-Aufguss »Kong: Skull Island« zu sehen sein.

»Raum« (2015).© Universal Pictures

Was ihre Rollenbilder und, vor allem, ihre Spielweisen betrifft, sind »J-Law« und »B-Lar« dagegen kaum zu verwechseln. Lawrence lebt von ihrer raumgreifenden Präsenz, der mit einem Schuss Vulgarität gepaarten übertourigen Intensität. Larson, Jahrgang 1989, ein Jahr älter als die Kollegin, agiert wesentlich dezenter. Sie wirkt meist unscheinbar und introvertiert. Große Gesten und Ausbrüche sind nicht ihr Ding – lieber kommt sie klug, nachdenklich und natürlich daher. Sie bleibt, fast immer, eine von uns.

Brianne Sidonie Desaulniers, französischsprachig aufgewachsen und von ihren Eltern zu Hause unterrichtet, ist trotz ihrer Jugend eine Hollywoodveteranin. So richtig in Gang gekommen ist ihre Karriere allerdings erst während der letzten zwei bis drei Jahre. Der Legende nach wollte sie schon als kleines Mädchen Schauspielerin werden und ergatterte bereits als Neunjährige einen Auftritt in Jay Lenos »Tonight Show«. Danach ging es kontinuierlich weiter: Serien, TV-Movies, Disney-Produktionen, Nebenrollen in Kinofilmen wie »30 über Nacht«, »Die Mädchen von Tanner Hall«, »Greenberg«, »Rampart«, »Don Jon«. Nichts Aufsehenerregendes, aber genug, um im Geschäft zu bleiben.

»21 Jump Street« (2012). © Sony Pictures

Ein »Karriereplan« oder eine Präferenz für bestimmte Charaktere wollen da noch nicht Gestalt annehmen. Larson, mit dem etwas zu breiten Gesicht und der etwas zu runden Figur keine typische Hollywoodschönheit, ist vielseitig und wandelbar. In der eigenwilligen Teenagerromanze »The Spectacular Now« und in der Klamotte »21 Jump Street« spielt sie sehr überzeugend glatte Oberschicht-Beautys, im schrillen Comic-Märchen »Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt« gar eine Sexbombe à la Brigitte Bardot. Ihre Rolle beschränkt sich dabei im Wesentlichen auf eine Performance als Rocksängerin. (Tatsächlich hat sie als Teenager sogar ein Album veröffentlicht.) Im vielfach preisgekrönten Pädagogendrama »Short Term 12 – Stille Helden« legt sie schließlich ihren ersten ganz großen Auftritt hin. Mit fast schmerzhafter Intensität verkörpert sie darin eine Betreuerin für schwer erziehbare Jugendliche, die neben den hohen Anforderungen ihres Jobs auch den Kampf gegen die inneren Dämonen bewältigen muss. Komplett ungekünstelt zeigt sich Larson als vielschichtiger und überaus realistischer Charakter: eine verletzliche, nach innen gekehrte Intellektuelle, die alles mit sich allein abmacht. Das könnte eine Art Rollenmodell für Larson werden. Auch in Rupert Wyatts unterschätztem Zocker­thriller »The Gambler« spielt sie so einen Part, eine hochtalentierte Studentin, die sich in ihren von Mark Wahlberg gespielten Professor verliebt. Als wollte sie die beiden Strömungen ihrer Filmografie nebeneinander präsentieren, führt sie hier allerdings ein Doppelleben. Nachts arbeitet sie in einem Spielcasino und schlüpft dafür wieder in die Rolle des attraktiven Vamps.

»The Gambler« (2014). © Paramount Pictures

Und nun »Raum«, eine beklemmende Tour de Force, für die sie einige Kilo abnahm und das Sonnenlicht mied, um den Part der gefangen gehaltenen Mutter, die ihrem kleinen Sohn einen ganzen Kosmos vorgaukelt, plausibel zu machen. Oscarmaterial, ganz klar, aber nicht wegen Larsons physischer Wandlung, sondern wegen ihrer nuancierten, vielschichtigen, niemals aufdringlichen Darstellung eines komplexen Charakters.   

»Raum« startet am 17. März.

Meinung zum Thema

Kommentare

Es ist schon bezeichnend, dass Sie mehrere Filme, in denen sie Nebenrollen hatte, namentlich aufzählen, aber die Serie "United States of Tara", in der sie drei Staffeln lang eine der Hauptrollen spielte, mit keinem Wort würdigen. Durch diese Rolle ist sie ja eigentlich bekannt geworden.

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