Kritik zu The Gambler

© Paramount Pictures

Regisseur Rupert Wyatt und Drehbuchautor William Monahan interpretieren den New-Hollywood-Klassiker Spieler ohne Skrupel mit Mark Wahlberg in der Hauptrolle neu

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3.2 (Stimmen: 5)

Die Frage nach der sechsten Kugel geht Jim Bennett einfach nicht aus dem Kopf. Schon mit dem ersten Schuss hatte Meursault, Albert Camus’ »Fremder«, den Araber getötet. Trotzdem hat er weitere vier Mal geschossen. Aber warum nur vier Mal? Schließlich hat ein Revolver sechs Patronen. Für den von Mark Wahlberg dargestellten Spieler und Literaturprofessor Bennett liegt die Antwort auf der Hand. Die sechste Kugel hat Meursault für sich selbst aufgespart. Als er diese Interpretation in einer seiner Vorlesungen verkündet, widerspricht ihm ein Student. Für den College-Basketball-Star Lamar (Anthony Kelley) ist Selbstmord keine Option. Er schlägt andere Erklärungen vor. Es ist eine Schlüsselszene in Rupert Wyatts Remake von Karel Reisz’ Spieler ohne Skrupel, einem Meilenstein des New-Hollywood-Kinos.

Reisz und sein Drehbuchautor, der Filmemacher, Schriftsteller und Spieler James Toback, würden sich ohne Frage Bennetts Interpretation anschließen. Ihr Porträt des »Gambler«, der damals noch Axel Freed hieß und von James Caan gespielt wurde, war ein durch und durch existenzialistischer Film. Kühl und kaum greifbar, so rätselhaft wie Freeds (selbst)-zerstörerische Impulse. Auch Rupert Wyatt und sein Drehbuchautor William Monahan kokettieren mit dem Existenzialismus. Aber für sie ist es eher ein Spiel, ganz so wie Bennetts expressive Vorlesungen und seine schillernden Wortgefechte mit seinen Gläubigern, dem altmodischen Gangster Frank (John Goodman) und dem afroamerikanischen Hustler Neville (Michael Kenneth Williams). Goodman und Williams sind brillant in diesen Szenen. Grandiose Pulp-Charaktere, die schließlich sogar eine überraschend menschliche Seite offenbaren.

Die philosophische Schwere des Originals kontern Wyatt und Monahan mit einer extrem amerikanischen Leichtigkeit. Das ist durchaus reizvoll anzusehen, vor allem wenn Wahlbergs Bennett, von dem eine fast schon hypnotische Intensität ausgeht und der es versteht, selbst im Moment der Niederlage sein Gegenüber zu verführen, seine Gläubiger gegeneinander ausspielt. Bennett mag an seine Selbstmordtheorie glauben, aber er selbst ist eben kein Meursault. Und so ähnelt der Film Bennetts schickem rotem BMW: schnell und elegant, aber eben auch hochmodern und extrem sicher.

Es sollte also auch niemanden weiter verwundern, dass Wyatt anders als Reisz nicht das Ende einer Liebe zeigt, sondern den Beginn. Im amerikanischen Existenzialismus gibt es immer wenigstens einen Funken Hoffnung, und der heißt hier Amy Phillips. Einmal hört die von Brie Larson gespielte Studentin, die Bennett zuvor zu einem literarischen Genie erklärt hat, den Pulp-Hit »Common People«.  Und das ist keineswegs ironisch gemeint: Dem Genie- und Perfektionskult des Spielers Bennett setzen Brie Larson und Wyatt einen entwaffnenden Pragmatismus entgegen. Durchschnittliche Menschen haben es einfach besser.

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