Letzte Gerüchte um Mittelerde
Wussten Sie dass die Beatles mal in einem Herr Der Ringe-Film spielen sollten? Bevor wir uns von den Hobbits und Elben verabschieden: ein Rückblick auf ein wundersames Universum
Wer war der erste Regisseur, der Der Herr der Ringe verfilmen sollte?
Und was ist das für eine Geschichte, in der John Lennon angeblich Gollum spielen wollte?
Zu jenen grauen Vorzeiten, als der Firmenname Apple noch nicht angebissen war, sondern die von den Beatles 1968 gegründete Multimediafirma bezeichnete, bemühte sich offenbar deren Sektion Apple Films darum, von Tolkien die Rechte zu kaufen. Treibende Kraft dahinter sei John Lennon selbst gewesen mit dem Ansinnen, sich in Gollum zu verwandeln. Ob er selbst das eher bösartige Gerücht verbreitete, Paul McCartney sei als Frodo ideal, lässt sich nicht nachprüfen. Genauso wenig wie die angebliche »Idealbesetzung« von Ringo Starr als Sam und George Harrison als Gandalf. Tolkien, bekennender Beatles-Feind, war »not amused«. In einer weiteren Version der Legende (McCartney soll 2002 Peter Jackson davon erzählt haben, der sie seitdem weitergibt) war Stanley Kubrick als Regisseur vorgesehen, der John Lennon aber mitteilte, dass er die Geschichte für unverfilmbar halte. Nicht unbedingt ein zwingender Kandidat für »Best film never made«, aber doch vielleicht für »Best soundtrack never composed«...
Wie kam der Roman dann endlich ins Kino?
Boromir sieht aus wie ein mopsiger Wikinger, die englischen Sprecher rollen die Rs, als würden sie allein dafür bezahlt – kein Wunder, dass das Kritikerurteil sich auf dem Level »Murkelig, aber inspiriert« einpendelte. Kommerziell war die animierte LOTR-Verfilmung von 1978, inszeniert von Ralph Bakshi (Fritz the Cat) und produziert von Saul Zaentz, durchaus erfolgreich, denn die Hippie- und Ökobewegungen hatten der Geschichte im voraufgegangenen Jahrzehnt einen neuen Resonanzboden verschafft – sie passte perfekt zu Jute und Aromatees. Den konventionellen Zeichentrick kombinierte Bakshi mit rotoskopierten Sequenzen, für die live action gefilmt und Bild für Bild übermalt wurde: ein dynamisierender, expressiver Effekt, der etwa die Schlacht um Helms Klamm noch immer eindrucksvoll wirken lässt. Leider bricht der Film nach diesem Höhepunkt des zweiten Bandes ab. Im Zuge der Tolkien-Hausse produzierte das Animationsstudio Rankin/Bass noch eine Fernsehversion des dritten Buchs, außerdem gab es eine Komplettadaption im BBC-Hörfunk.
Apropos Casting...
Und ein paar Zahlen...
Die Hobbit-Trilogie wurde bereits im Oktober, da war noch gar nicht alles Geld ausgegeben, zum teuersten Filmprojekt aller Zeiten erklärt. Über 560 Millionen Dollar soll das Budget betragen haben. Dagegen erscheint das Gesamtbudget der Herr der Ringe-Trilogie mit 281 Millionen Dollar im Rückblick geradezu bescheiden. Man muss sich vergegenwärtigen, dass die Summe schon damals als großes Risiko galt und die Nerven der Investoren offenbar erst beruhigt waren, als der dritte Teil, Die Rückkehr des Königs, es Titanic nachtat und die Schwelle von einer Milliarde Dollar beim weltweiten Einspiel überschritt (womit ein Gewinn von ungefähr 1400 Prozent erreicht war). Mit insgesamt 4,8 Milliarden Dollar für die Herr der Ringe-Trilogie und die zwei Hobbits steht das gesamte Tolkien-Franchise bislang im Vergleich nur hinter Harry Potter und seinen 7,7 Milliarden für acht Filme zurück – James Bond (24 Filme) und das Marvel-Universe (bislang 10) wegen Inkompatibilität mal außer Acht gelassen. Wobei die Tolkien-Reihe selbst gegenüber Letzteren (und Star Wars!) auf den höchsten Schnitt pro Einzelfilm kommt. (Die Zahlen sind aber leider alle nicht inflationsbereinigt.)
Im Film haben Elben und Hobbits spitze Ohren. Kommt das von Tolkien?
Liegt ein Fluch auf »Der Herr der Ringe?«
Für manche schon. Das deutsche Medienunternehmen Kinowelt, 1984 als kleiner Filmkunstverleih gegründet, ging 1998 an die Börse und kaufte mit dem frischen Geld Produktionsfirmen, Verleihunternehmen, Rechte und sogar den einen oder anderen Fußballverein. Und wer hoch hinaus will, der macht auch Fehler. Schon im ersten Halbjahr 2001 beliefen sich die Schulden des Unternehmens auf 800 Millionen Mark. Eine sichere Bank schien da der erste Teil der Herr der Ringe-Trilogie, Die Gefährten, den Kinowelt in Deutschland im Programm hatte. Er startete am 19. Dezember 2001 und sollte dem Münchner Unternehmen bei drei Millionen erwarteten Zuschauern mindestens 50 Millionen Mark in die Kassen spülen. Tatsächlich hatte er 11,5 Millionen Zuschauer und über 80 Millionen Euro (160 Millionen Mark!) Einspiel. Doch ein paar Wochen vor Start kündigte die federführende Produktionsfirma New Line Cinema den Deal und übertrug die Rechte an den Major Warner – der auch alle weiteren Herr der Ringe- und die Hobbit-Filme verlieh. Das New-Line-Paket, zu dem auch Blade, Austin Powers und die folgenden zwei LOTR-Teile gehörten, hatten die Münchner Filmhändler 1999 für 300 Millionen Dollar erworben. Der böse Zauber des Herr der Ringe-Deals wurde zu einem weiteren Sargnagel für Kinowelt: Das Unternehmen stellte ein paar Tage vor Start den Insolvenzantrag.
War Der Hobbit ein Lieblingsprojekt von Peter Jackson?
War der »Ring«-Roman ein Instant-Hit?
Der Triumphzug des 1954 und 55 in mehreren Büchern veröffentlichten Romans begann mit Verzögerung. Das Werk hatte sich in den USA über ein Jahrzehnt langsam, aber stetig verkauft. Mit der Veröffentlichung zweier amerikanischer Taschenbuchausgaben – eine davon illegal – schrieb LOTR dann Verlagsgeschichte: In zehn Monaten gingen 250.000 Exemplare über den Ladentisch. »Plötzlich scheint alle Welt ein sehr langes und sehr merkwürdiges Buch mit dem Titel ›Der Herr der Ringe‹ zu lesen«, schrieb der amerikanische Autor Lin Carter 1966. Danach war kein Halten mehr – auch in Deutschland nicht, wo der Schulbuchverlag Klett-Cotta LOTR herausbrachte. 1997, als die englische Buchladenkette Waterstone die Ergebnisse einer Umfrage nach dem »Buch des Jahrhunderts« veröffentlichte, fiel die Literaturszene in Schockstarre. 25 000 Leser hatten »Der Herr der Ringe« auf Platz eins katapultiert – »Ulysses« dümpelte abgeschlagen auf Platz vier. Andere Polls gingen ähnlich aus. Die Debatte, die danach aufflammte, war ganz typisch für die Rezeption von Tolkiens Chef d’Oeuvre – LOTR hat immer schon das Publikum und die Kritik gespalten.
War’s das jetzt?
Oder gibt es etwas, das Peter Jackson noch verfilmen könnte aus dem Tolkien-Universum? Theoretisch sicher. Das »Silmarillion« zum Beispiel, auch wenn das ein bisschen »alttestamentarisch« ist. Tom Bombadil, den Jackson gestrichen hat, könnte ein eigenes Spin-off bekommen. Und dann sind da natürlich Tolkiens extensive Notizen, die sein Sohn Christopher in einer zwölfbändigen Geschichte Mittelerdes ediert hat. Darin findet sich die große Schlacht um die Elbenstadt Gondolin, mit mehreren Balrogs und dem Tod von Glorfindel, der für LOTR auferstanden war – Seelenwanderung –, um den verletzten Frodo nach Bruchtal zu bringen (im Film macht das Arwen). Schließlich würde sich auch die Vorgeschichte der Lady Galadriel empfehlen, die als junge Frau ihre eigenen Leute abgemetzelt hat. Wahrscheinlich aber werden weder das »Silmarillion« noch die apokryphen Schriften den Weg auf die Kinoleinwand finden: Die Rechte liegen, wie Peter Jackson kürzlich erläutert hat, beim Tolkien-Nachlass – und die Erben sind gar nicht so glücklich mit dem, was der Regisseur aus Tolkiens Büchern gemacht hat.
Zur Kritik Der Hobbit: Die Schlacht der fünf Heere
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