IMAX-Filme: Höher, schärfer, breiter
»Dune: Teil 2« (2024). © Warner Bros. Entertainment
Maximales Kino. Das versprechen Filme wie »Dune« oder »Oppenheimer«. Und zwar am besten im IMAX-Kino, wo extra große Leinwände und Bildausschnitte für besondere Immersion sorgen sollen. Aber welches Format soll’s genau sein? Digital oder analog? 1,43 oder 1,9? Und wo läuft überhaupt was? Ein kleiner Workshop mit Jannek Suhr
»Filmed for IMAX« annoncieren die Trailer und Plakate zu »Dune: Part Two«. Das wirkt aktuell wie ein großes Qualitätsversprechen. Spätestens seit letztem Sommer und dem Erfolg des »IMAX-Films« »Oppenheimer« hat sich ein neuer Hype um das Filmformat entwickelt. Was genau IMAX meint, ist allerdings nicht ganz leicht zu durchschauen, denn das Format hat mit der Zeit einen Wandel durchgemacht.
Die Basics
Grundsätzlich steht IMAX für »Images Maximum« und beruht auf dem Prinzip, Filme auf möglichst großen Leinwänden zu zeigen. Im besten Fall sollen die Randbereiche eines Films gar nicht mehr wahrgenommen werden und das Bild den Zuschauer gewissermaßen umhüllen, was durch eine leicht konkave Leinwandform und steile Ränge unterstützt wird. Um Filme auf den riesigen IMAX-Leinwänden zu zeigen, müssen sie besonders hochauflösend sein. Dazu braucht es spezielle Kameras und Projektoren. Die in den 60er Jahren gegründete IMAX Corporation stattet Kinos mit der nötigen Technik aus und gibt außerdem Filmemacher*innen die Möglichkeit, mit ihren Kameras zu drehen.
Die ersten IMAX-Kinos zeigten vor allem Dokumentationen mit spektakulären Naturbildern, die meist nicht länger als 40 Minuten waren, da die Filmrolle einer IMAX-Kamera sehr limitiert ist. Zur Jahrtausendwende hin aber wollte IMAX stärker ins Kino- und Spielfilmgeschäft einsteigen und entwickelte das DMR-Verfahren (Digital Media Remastering), bei dem die Auflösung von herkömmlichen Spielfilmen per Software für die IMAX-Projektion hochgerechnet wird. So wurden Filme wie »Spider Man«, »The Matrix Reloaded« oder die »Harry Potter«-Reihe auf den großen IMAX-Leinwänden gezeigt. Bei der Qualität musste man im Vergleich zum echten IMAX allerdings Abstriche machen. Zudem konnten die Filme nicht die gesamte Leinwand ausnutzen. Denn diese haben ein ganz bestimmtes Format mit dem Seitenverhältnis 1,43:1. Dabei wird vom breitesten Filmformat ausgegangen, allerdings mit mehr Höhe – entsprechend gedrehte Filme zeigen einen besonders großen Bildausschnitt. Die per DMR bearbeiteten Filme aber waren in konventionellen Formaten meistens mit dem Seitenverhältnis 2,39:1 gedreht. Beim Projizieren auf IMAX-Leinwänden blieb so oben und unten ungenutzte Fläche.
Mit »The Dark Knight« kam 2008 der erste Hollywoodfilm heraus, der einzelne Szenen enthielt, die mit IMAX-Kameras gedreht waren und somit die komplette Leinwandfläche in größtmöglicher Auflösung nutzen konnten. Regisseur Christopher Nolan kombiniert seitdem regelmäßig in seinen Filmen konventionell gedrehte Szenen mit IMAX. Bei »Dunkirk« war der Anteil der IMAX-Szenen mit 79 Minuten besonders hoch. Zudem drehte er die restlichen Szenen allesamt mit 70-mm-Film, wodurch der Unterschied bei Auflösung und Bildgröße geringer ausfiel (bei 70 mm ist das Seitenverhältnis 2,20:1). Andere Filme mit einer Kombination aus 35 mm und IMAX-Szenen waren zum Beispiel »Die Tribute von Panem: Catching Fire« oder »Star Wars: Das Erwachen der Macht«.
Analog vs. digital
Das Abspielen der IMAX-Filme ist allerdings ein enormer Aufwand, weshalb mit der Zeit fast alle Kinos auf digitale Varianten umgestiegen sind. Damit kam es zum Konflikt, der die Filmindustrie auch unabhängig von IMAX seit langem beschäftigt: analog vs. digital. Viele Cineasten sind nach wie vor der Meinung, dass nur analog gedrehte und abgespielte Filme echte Kinoqualität bieten. Die digitalen Varianten sind aber zweifelsfrei einfacher in der Handhabung. Die ersten digitalen IMAX-Projektoren erreichten aber nur eine Auflösung von 2K und projizierten das Format 1,9:1. Der Bildausschnitt ist hierbei immer noch etwas größer als bei konventionellem 2,39:1, im Vergleich zum 1,43-Format aber ebenfalls oben und unten beschnitten. Für Filmemacher*innen entwickelte IMAX auch eine digitale Variante seiner Kamera, die im 1,9-Format aufnimmt. Da aber nur wenig solcher Kameras verfügbar und die Leihkosten hoch waren, wurde die Technik weiterhin selten genutzt. Für die Kinos blieb der Betrieb kostspielig, weil neben den Kosten für die Technik auch Umsatzabschläge an IMAX gezahlt werden müssen. Entsprechend stagnierte der IMAX-Markt lange Zeit.
In den letzten Jahren aber ist wieder Bewegung ins Geschäft gekommen. Die meisten IMAX-Kinos besitzen mittlerweile Laserprojektoren, mit denen eine 4K-Auflösung auf den Leinwänden erreicht wird und die auch das Bildformat 1,43 abspielen können. Damit können Filme wie Nolans »Dunkirk«, »Interstellar« oder »Tenet« hochauflösender und im entsprechend großen Bild gezeigt werden. Auch der analog gedrehte »James Bond 007: Keine Zeit zu sterben« punktete mit einzelnen IMAX-Szenen. Viele IMAX-Kinos nutzen allerdings das Laserverfahren mit Leinwänden im 1,9-Format, da diese leichter in bestehende Häuser zu integrieren sind. Wenn vom IMAX-Format die Rede ist, muss man also unterscheiden. Das originale IMAX-Format hat das Seitenverhältnis 1,43:1, am verbreitetsten ist aber mittlerweile 1,9:1.
Praktikabler als 3D
Es ist ein allgemeiner Trend, dass IMAX sich stärker der Kinoindustrie anpasst. Auch die Standards, die Kinos erfüllen müssen, um als IMAX-Kino zertifiziert zu werden, wurden aufgeweicht, was vor allem die Leinwandgröße betrifft, die mittlerweile deutlich kleiner ausfallen kann. Viele sprechen daher von einer Mogelpackung – IMAX-Kinos seien mittlerweile nur noch bessere Multiplexe. Zwar verspricht IMAX neben der Leinwandgröße auch bei Kriterien wie Farbdarstellung bessere Qualität – ob der Unterschied zu Konkurrenten wie Dolby Cinema aber wirklich relevant ist, ist diskutabel und hängt stark vom jeweiligen Film ab. Was bleibt, ist das Versprechen eines Kinoerlebnisses, das sich vom Streaming daheim absetzt. Die Kinoindustrie braucht solche Versprechen, um Zuschauer*innen zu gewinnen. Zumal das 3D-Kino, auf dem zwischenzeitlich die Hoffnungen lagen, wieder abgeebbt ist. IMAX scheint die praktikablere Lösung zu sein, um das Kino als Event zu stärken.
Größere Hollywoodproduktionen werden mittlerweile standardmäßig auch digital für IMAX remastered. Die Filme können damit zwar nicht die speziellen Bildformate bedienen, sie füllen aber konstant das Programm eines IMAX-Kinos. Gleichzeitig hat IMAX die Möglichkeiten verbessert, im speziellen Format zu drehen, wobei dies in der Regel das 1,9-Format meint. »Avengers: Infinity War« war 2018 der erste Film, der komplett mit digitalen IMAX-Kameras gedreht wurde. 2020 ging IMAX zudem Partnerschaften mit Kameraherstellern wie Arri, Panavision, Sony und Red ein. Seitdem gibt es weitere, von IMAX zertifizierte Kameras; »Dune« und »Top Gun: Maverick« waren die ersten Filme, die sie nutzten.
Nolan: der Mann fürs Image
Die Strategie von IMAX scheint aufzugehen. Mit Ticketumsätzen von 1,06 Milliarden Dollar war 2023 das zweitstärkste Jahr in der Geschichte der IMAX Corporation. In den USA und Kanada reichte es sogar für einen Rekord, wie das Branchenmagazin »Blickpunkt:Film« berichtete. Dort machen IMAX-Kinos längst einen signifikanten Teil der Einnahmen bei großen Produktionen aus. In Deutschland ist der Anstieg verhaltener. Das liegt unter anderem daran, dass sich hier nie besonders viele IMAX-Kinos etablierten (aktuell sind es zehn), wodurch das Format weniger bekannt ist. Ein weiterer Grund ist laut IMAX-Chef Rich Gelfond, dass es in Deutschland weniger große Kinoketten gebe, mit denen man über neue Leinwände verhandeln könne. Für den einzelnen Anbieter ist der Betrieb zudem nach wie vor ein finanzielles Risiko. Doch Gelfond glaubt, auch in Deutschland expandieren zu können. Während in den letzten Jahren bereits die UCI-Kette neue IMAX-Leinwände baute, kündigte nun auch Cinestar für 2024 und 2025 jeweils zwei neue an. Ein ganz besonderes IMAX-Kino gibt es seit 2021 in Leonberg bei Stuttgart. Dort steht mit 813 m² Projektionsfläche die größte IMAX-Leinwand der Welt und damit auch die größte Kinoleinwand überhaupt.
Dass IMAX das Image als Anbieter des bestmöglichen Kinoerlebnisses hat, liegt auch an Christopher Nolan, der eine Art Markenbotschafter geworden ist. »IMAX ist der Goldstandard des Films«, gab er einst bekannt. Einen besseren Werbespruch kann es für IMAX gar nicht geben. Dass Nolan eigentlich das analoge IMAX meinte und nicht das digitale – egal. Die seit langem bestehende Zusammenarbeit mit IMAX führte dazu, dass Nolan intensiv in die Entwicklung neuer Technologie miteinbezogen wird und bei der Verwertung seiner Filme Sonderrechte erhält. Nolan bekam beispielsweise die Zusage, dass »Oppenheimer« für mindestens drei Wochen in allen IMAX-Kinos gespielt wird. Da die meisten IMAX-Kinos nur einen entsprechenden Saal haben, ging das auf Kosten des eine Woche zuvor gestarteten »Mission: Impossible 7«.
Im Dschungel der Formate
Während der allgemeine IMAX-Trend klar zum Digitalen geht, bleibt Nolan dem analogen Film treu. Wie schon bei seinen vorherigen Filmen drehte Nolan »Oppenheimer« komplett analog und kombinierte IMAX-Szenen mit konventionellem 70-mm-Film. Zudem nutzte er eine neue Generation von analogen IMAX-Kameras, die bedienfreundlicher und leiser sind und somit mehr Nutzungsmöglichkeiten bieten; sie konnten zudem auch hochauflösende Schwarz-Weiß-Szenen liefern.
Bei der Kinoauswertung gab es so eine unübersichtliche Angebotslage: 30 Häuser weltweit konnten »Oppenheimer« in analogem IMAX zeigen, davon in Europa drei in Großbritannien und eines in Prag. Die Vorstellungen waren teilweise restlos ausverkauft. In Deutschland gab es die Möglichkeit, in Kinos wie dem Savoy in Hamburg oder dem Delphi in Berlin »Oppenheimer« in 70 mm zu sehen, also analog mit entsprechender Bildästhetik, aber auf kleineren Leinwänden und ohne die besonders großen Bildausschnitte. Das Technik-Museum in Sinsheim und der Filmpalast in Karlsruhe wiederum präsentierten die digitale IMAX-Variante im 1,43-Format auf großer Leinwand. Alle weiteren IMAX-Kinos in Deutschland zeigten die 1,9-Variante, darunter auch das in Leonberg, also mit etwas kleinerem Bildausschnitt – dafür aber auf der absolut größten Leinwand. Ein Formatwirrwarr, das man als Zuschauer*in erst mal durchblicken muss. Nicht umsonst kursieren im Internet zahlreiche »Format-Guides«. Nolan selbst hatte aber stets betont, »Oppenheimer« funktioniere in allen Varianten, auch in konventionellen Kinos.
Alles eine Sache des Marketings
Für Cineasten, die auf das analoge Kino schwören, ist Nolan mit »Oppenheimer« zum König geworden. Ein anderes Werk findet hingegen weniger Beachtung: »Nope« von Jordan Peele war 2022 die erste große Produktion, bei der die neue Generation der analogen IMAX-Kameras genutzt wurde. Wie »Oppenheimer« wurde Peeles Horror-Genre-Mix komplett analog auf 70 mm gedreht und mit insgesamt 47 Minuten im analogen IMAX erweitert. Kameramann bei »Nope« war mit Hoyte van Hoytema genau der Mann, der auch für die Kameraarbeit in den Nolan-Filmen verantwortlich ist und der damit quasi schon einmal das erprobte, was er dann für »Oppenheimer« nutzte. Dass »Nope« so viel weniger Resonanz erhalten hat, zeigt, dass auch die beste Arbeit auf Marketing und entsprechende Öffentlichkeit angewiesen ist.
Über mangelnde Aufmerksamkeit wird sich »Dune: Part Two« nicht beschweren können. Diese ist im Gegenteil noch gestiegen, nachdem Denis Villeneuve verkündete, dass der zweite »Dune« nicht mehr nur teilweise wie der erste, sondern vollständig in IMAX gedreht wurde. In Internetforen führte dies zu Diskussionen, was genau damit gemeint ist. Tatsächlich ist »Dune: Part Two« nicht analog, sondern digital gedreht. Die Kameras waren auch nicht vollständig von IMAX, sondern nur vollständig von IMAX zertifiziert, weshalb IMAX auf seiner Website von »Filmed for IMAX« spricht und nicht wie bei »Oppenheimer« von »Filmed in IMAX«. Eine Besonderheit gibt es bei »Dune: Part Two« aber: Dank neuester digitaler Kameratechnologie kann der Film über die komplette Spielzeit im 1,9-Format gezeigt werden, mit zusätzlichen Szenen im 1,43-Format. Was den Anteil der besonders großen Bildausschnitte angeht, toppt das sogar »Oppenheimer«. Fans werden aber wohl sehr genau hinschauen, ob die Qualität der digitalen Kameras an die der analogen heranreicht. Zusätzlich soll »Dune: Part Two« auch im analogen IMAX und in 70-mm-Kinos gezeigt werden, wofür der Film nachträglich auf analogen Film gescannt wurde. Es ist allerdings die Frage, ob das wirklich einen Unterschied macht, ebenso, ob die Kosten für die aufwendige Nachbearbeitung wieder eingespielt werden. Doch genau wie die Aufschrift IMAX verbessert auch die 70-mm-Ankündigung aktuell das Image eines Films.
Vielfältige ästhetische Möglichkeiten
Was »Dune« und »Oppenheimer« unabhängig des konkreten Formats eint, ist die Tatsache, dass sie konsequent auf die maximale Wirkung des Kinos setzen. Der Vergleich ist interessant. »Dune« wirkt wie der exakt für IMAX entworfene Film. Viel Action, Kampfszenen, große Schlachtenbilder mit riesigen Massen; dazu eine stylishe Science-Fiction-Welt mit Panoramabildern wie die der Wüste, die auf dieselbe Wirkung abzielen wie die IMAX-Dokumentationen mit ihren Naturbildern.
»Oppenheimer« wirkt zunächst weniger IMAX-kompatibel: ein komplexes, teils sperriges Biopic mit naturwissenschaftlichen Bezügen, Beziehungsdramen, politischen Intrigen, moralischen Konflikten, dazu viel Dialog und Schwarz-Weiß-Szenen. Nicht wenige waren der Meinung, »Oppenheimer« wäre eher ein Arthouse-Film. Nolan nutzt die Möglichkeiten von IMAX aber voll aus, wenn er beispielsweise Panoramafahrten durch Städte oder die Wüste in New Mexico einbaut. Die eingeblendeten Bilder von Sternen und Funken wiederum erinnern an die Avantgarde-Filme der 1920er Jahre, die ausschließlich aus abstrakten, auf visuelle Wirkung zielenden Farben und Formen bestanden. Die Szenen, die den Trinity-Test zeigen, entwickeln in IMAX ohnehin eine unvergleichliche Wucht. Aber auch die Dialogszenen gewinnen an Intensität. Besonders auffällig: die Close-ups, bei denen jede kleinste Regung im Gesicht sichtbar wird. Auf Close-ups wird allen Anschein nach auch »Dune: Part Two« setzen; bereits im Trailer sind viele Nahaufnahmen von Timothée Chalamet und Zendaya zu sehen. Was »Dune« und »Oppenheimer« ebenfalls eint, ist die bedeutende Rolle des Sounds; ein oft vergessener Aspekt ist, dass IMAX auch versucht, die Soundqualität zu optimieren.
»Dune« und »Oppenheimer«, aber auch »Nope« zeigen, dass die Möglichkeiten, das IMAX-Kino zu nutzen, ganz unterschiedlich sind. Aus Kostengründen bleibt es wohl vorerst den großen Blockbuster-Produktionen vorbehalten. Rein ästhetisch müsste es das allerdings nicht. Ein Beispiel dafür ist Chloé Zhaos »Nomadland«, der 2021 in ausgewählten amerikanischen Kinos in einer IMAX-Fassung im durchgehenden 1,9-Format zu sehen war. Dass solche kleineren Filme ihren Weg ins IMAX-Kino finden, dürfte eher die Ausnahme bleiben. Es ist aber zu hoffen, dass der Zuwachs an IMAX nicht einfach nur zu größeren Leinwänden, sondern auch zu einer Auseinandersetzung mit den ästhetischen und erzählerischen Möglichkeiten des Mediums führt.
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