Kritik zu Regression
Missbrauch, Hypnose, Satanskult: Alejandro Amenábar kehrt zum waschechten Genrefilm zurück
Mit Genrekino (»Faszination des Grauens«) begann Alejandro Amenábar in den 90er Jahren seine Karriere, mit Genrekino (»The Others«) gelang ihm der Sprung nach Hollywood. Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis der Spanier – oscarprämiert für »Das Meer in mir« und zuletzt mit dem Historienstück »Agora« eher untergegangen – zu seinen Wurzeln zurückkehrt.
In »Regression« erzählt er von Detective Bruce Kenner (Ethan Hawke), einem Kleinstadtpolizisten im Minnesota der frühen 90er Jahre. Das Örtchen, in dem jeder jeden kennt, wird von einem unschönen Fall erschüttert: Die junge Angela (Emma Watson), Spross einer schon von manchem Unglück heimgesuchten Familie, beschuldigt ihren Vater John (David Dencik) des sexuellen Missbrauchs und sucht Unterschlupf in der Kirche. Die Sache könnte schnell zu den Akten gelegt werden, denn ein Geständnis liegt bald auf dem Tisch. Doch so freimütig John alles zugibt, was ihm vorgeworfen wird, so wenig erinnert er sich daran. Kenner zieht einen renommierten Psychologieprofessor (David Thewlis) hinzu, der den Verdächtigen einer Regressionstherapie unterzieht. Die Erkenntnisse, die diese Hypnosetechnik zutage bringt, nehmen erschütternde Ausmaße an: Angela und womöglich auch ihr längst in der Großstadt lebender Bruder scheinen nicht nur Opfer ihres Vaters, sondern einer ganzen satanischen Sekte geworden zu sein. Je weiter Kenner ermittelt, desto mehr scheint es, als sei von den eigenen Kollegen bis hin zur Großmutter der Jugendlichen fast jeder im Ort in den Fall verwickelt. Es wird immer schwerer, zwischen Wahrheit und Wahn zu unterscheiden, zumal er selbst bald von Alpträumen und tatsächlichen Drohungen heimgesucht wird.
Als Fundament seiner Geschichte dienen Amenábar einerseits die um 1990 in den USA grassierende Satanismuspanik, in der Medien und reißerische Bestseller gleichermaßen über Teufelsanbetungen, Vergewaltigungen und Ritualmorde spekulierten, andererseits umstrittene neue Entwicklungen in der Psychologie. Und natürlich kommt – wie von einem katholisch erzogenen Regisseur aus Spanien nicht anders zu erwarten – immer wieder auch die Kritik an der Kirche zur Hintertür herein. Aus dieser Mischung wird in Amenábars genreerprobten Händen ein Gruselthriller auf den Spuren von Klassikern wie »Rosemaries Baby« oder »Der Exorzist«, fernab von allen neumodischen Mätzchen, mit denen Hollywood uns dieser Tage sonst einen Schrecken einjagt.
In der Tat wartet »Regression« mit einer ordentlichen Portion Spannung auf, die allerdings beeinträchtigt wird, weil man den finalen Twist dann doch zu früh erahnen kann. Mit den großen Vorbildern kann Amenábars Film deswegen letztlich nicht mithalten. Doch dank einer atmosphärisch dichten Inszenierung, einem effektiven Score von Roque Baños (»Sexy Beast«) und nicht zuletzt einem angemessen zerknirschten Ethan Hawke in der Hauptrolle ist er zumindest kurzweilige und angenehm altmodische Unterhaltung.
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